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ist doch auch keine bedacht, daß sie ihren Bewohnern nicht wenigstens den
nötigsten Lebensbedarf darböte. Weitaus die Mehrzahl der Einwohner
Bayerns erfreut sich eines befriedigenden Wohlstandes und Lebensgenusses.
Die Behäbigkeit des altbayerischen Bauern ist sprichwörtlich geworden und
doch ist es eine Frage, ob der Hopfenbauer Mittelfrankens oder der Weinberg⸗
besitzer vor der Hart sich in einen Tausch mit ihm einließen. Bei den Berg⸗
und Waldbewohnern finden wir allerdings selten ein so ergiebiges Besitztum;
allein dafür ist ihnen eine andere Gabe zuteil geworden, köstlicher wahrlich
als Reichtum an Gut und Geld: ein heiterer, freier Sinn, Genügsamkeit und
Zufriedenheit, und das Volk der Berge fühlt sich daher trotz äußerer Armut
meist glücklicher und wohler als das Volk der Ebene. An Quellen ausreichen⸗
den Erwerbs mangelt es aber auch den Gebirgsbewohnern nicht. Wo der
Wald deren eigen Gut ist, wirft er kaum geringeres Erträgnis ab als Wiese
und Ackerland. Meist freilich sind die Waldungen im Besitze des Staates,
der Stiftungen oder Gemeinden. Dann sucht der Wäldler seinen und der
Seinen Unterhalt durch Holzhauen, Kohlenbrennen, Teer- und Pechgewin⸗
nung, Einsammeln von Beeren, Arzneikräutern u. dergl.
Arm an Pflanzenwuchs sind nur wenige Strecken in Bayern; allent—
halben lohnen reiche und mannigfache Erzeugnisse die Pflege und den Anbau
des Bodens.
Bayern ist ein in ausgedehntem Maße Ackerbau und Viehzucht treiben⸗
der Staat und zwei Fünflel seiner Bewohner sind diesen Beschäftigungen
zugewandt. Der Gewerbebetrieb, früher meistens auf die nächsten und not—
wendigsten Bedürfnisse beschränkt, hat sich in neuerer Zeit, seitdem durch die
Eisenbahnen der Austausch der Produkte rascher und umfassender geworden,
sehr erweitert und aus dem beschränkten Standpunkte des Kleingewerbs an
vielen Orten und in mannigfachen Produkten zur Fabrikindustrie erhoben.
Die Städte Nürnberg, Regensbuͤrg und Augsburg, in früheren Tagen schon
durch Handel und Gewerbefleiß weltberühmt, haben ihren ehrenvollen Ruf
nicht nur zu erhalten, sondern selbst zu steigern gewußt. Ihnen eifern jüngere
Fabrikstädte rühmlich nach, so Kempten, Kaufbeuren, München, Hof, Fürth,
Schweinfurt, Kaiserslautern, St. Ingbert, Frankenthal u. a. m. Nach
allen Richtungen durchziehen die Eisenbahn⸗, Telegraphen- und Telephon—
linien das Land, Städte und Dörfer miteinander verbindend, und fort—
während wird rüstig gearbeitet, das Eisenbahnnetz insbesondere durch
Lokalbahnen zu vervollständigen.
Wenn wir das alles überblicken, dann dürfen wir gewiß sagen: Bayern
ist ein glückliches Land, glücklich durch seine schöne und ge—
segnete Natur, glücklich auch durch die Tätigkeit und den Wohl—
stand seiner Bewohner.
Nach Riehl, Bavarid u. a.
36. Land und Leute in Oberbayern.
Will man sich eine echt oberbayerische Landschaft vorstellen, wie der
Wanderer ihr bei jedem Schritte begegnet, so denke man sich ein kleines,
grünes Tal. Eine nur wenig betretene Straße durchschneidet es; seine