26. Attila, der Hunnenkömg.
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grimmigen Feind bei gnädiger Laune zu erhalten hoffte.
Römische Vornehme begleiteten im Aufträge des Kaisers zu¬
weilen die Hunnen. Dies geschah unter anderm auch im
Jahre 448, wo ein Geschichtschreiber, Namens Pris eus, bei
einer solchen Gelegenheit mit andern kaiserlichen Beamten ins
Hunnenland reiste und an Attilas Hof kam. Dort hat er
allerlei Merkwürdiges gesehn und gehört und nachträglich einen
Bericht über diesen Aufenthalt geschrieben. Die Residenz
Attilas, die in Ungarn zwischen der Donau und der Theiß
lag, schildert er als ein sehr großes Dors mit hölzernen Hütten.
Sogar der Palast des Königs war aus Holzstämmen gebaut.
Daneben aber stand ein steinernes Badehaus, das sich Attila
von römischen Kriegsgefangenen hatte errichten lassen. Wie
der gefürchtete Herrscher als friedlicher Richter seines Volkes
waltete, das beschreibt Priscus folgendermaßen: „Ich näherte
mich dem Gebäude, in welchem Attila wohnte. Dabei kam
ich unter eine große Volksmenge zu stehen; denn da Attilas
Wächter und Gefolgsmannen mich wohl kannten, wehrte mir
keiner, hinzuzutreten. Da sah ich, wie plötzlich der ganze
Volkshaufe in Bewegung geriet und lärmend nach der Thür
hindrängte, aus der Attila hervortreten sollte. Der König
schritt, von dem Goten H uni gais, seinem Ratgeber, begleitet,
aus dem Hause, mit ernster Miene, während aller Augen auf
ihn gerichtet waren. Vor dem Palaste blieb er stehen, und
nun näherten sich ihm viele Leute, die miteinander in Streit
lagen. Er hörte sie an und gab jedem seinen Spruch. Nach¬
dem er so Gericht gehalten hatte, ging er wieder in sein
Haus zurück und ließ Gesandte barbarischer Völker zum Em¬
pfange vor."
Sehr merkwürdig ist die Schilderung eines Gastmahls,
zu dem Priscus mit andern west- und oströmischen Gesandten
von Attila eingeladen worden war. Sie zeigt uns unter
anderm, wie stark am Hofe des Hunncnkönigs germanische
Sitte und Sprache das wilde, rohe Asiatentum durchdrungen
hatten. Edle Goten bildeten die nächste Umgebung Attilas.
„Wir traten," so berichtet Priscus, „zur bestimmten Stunde
(etwa um drei Uhr nachmittags) in den Palast und gleich-