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dem der erste Schrecken vorüber war, waffneten sich zur Gegenwehr, und
die Langsamkeit der Türken, die sich mit der Plünderung der Oerter und
Landschlösser aufhielten, verstattete dem Herzog von Lothringen, 12,000
Mann als Besatzung in die Stadt zu werfen. — Dem Zuge des türkischen
Heeres durfte er sich mit seiner kleinen Schaar nicht in den Weg stellen,
er zog also seitwärts und erwartete den polnischen König.
Der Graf Rüdiger von Stahremberg war Befehlshaber der Stadt
und suchte, dieselbe in der Eile so gut als möglich in Vertheidigungsstand
zu setzen. Wer arbeiten konnte, half. Im Juli erschienen die Türken
vor der Stadt und breiteten sich in einem Umfang von 6 Stunden um
dieselbe aus. Nach 2 Tagen schon eröffnete der Vezier die Laufgräben:
bald ertönte der Donner des Geschützes und vor Allem gruben die Feinde
Minen, um die Mauern in die Luft zu sprengen. Allein die Vertheidi¬
ger hielten sich tapfer; was niedergeworfen war, wurde in der Nacht wie¬
der ausgebessert; jeder Schritt wurde auf das tapferste.verfochten. Den¬
noch gewannen die Türken nach und nach Raum, Ende August hatten sie
sich schon in dem Stadtgraben festgesetzt, und am 4. Septbr. ließen sie
eine Mine unter der Burgbastei springen. Die Stadt erzitterte davon,
die Bastei selbst wurde aus einander gerissen. Die Lücke war so groß,
daß die Feinde Sturm laufen konnten; sie wurden zurückgeschlagen; sie
stürmten an den folgenden Tagen mit neuer Wuth; noch hielt die Tapfer¬
keit der Besatzung Stand. Als aber eine neue Mine unter der Burg¬
bastei gesprungen war, da stieg die Gefahr auf's Höchste. Graf Stah¬
remberg sandte Boten auf Boten an den Herzog von Lothringen. End¬
lich am,11. Septbr. sahen die Wiener an den Bewegungen im feindlichen
Lager, daß Hülfe nahe sei; Abends 5 Uhr erschienen die christlichen Kriegs¬
völker auf dem Kalenberge *) und thaten ihre Ankunft durch Kanonen¬
schüsse kund. Der König Sobiesky, die Kurfürsten von Sachsen (Johann
Georg 111.) und Baiern waren mit frischen Truppen angekommen. Nun
konnte es Karl von Lothringen wagen, gegen den Feind zn ziehen; doch
war sein Heer nur 46,000 Mann stark.
Tags darauf senkte sich die christliche Schlachtordnung vom Kalen¬
berge herab. Jeder Hohlweg, jeder Schutthaufen wird von den Türken
mit Todesverachtung vertheidigt; die Polen auf dem linken Flügel, Her¬
zog Karl auf dem rechten, drängen unaufhaltsam vor; die von neuem Muth
begeisterten Wiener brechen aus ihren Mauern; aber noch immer schwankt
der Sieg, denn Mnstapha wüthet wie ein Verzweifelter und läßt in
seine zurückweichenden Schaaren einhauen. Doch der christlichen Tapfer¬
keit vermögen die Moslemins nicht zu widerstehen; um 6 Uhr Abends ist
der Sieg entschieden; die Türken stürzen in wilder Flucht nach Raab zu.
Ihr ganzes Lager mit 370 Kanonen, der Kriegskasse von 2,000,000 Tha¬
ler und dem prächtigen Zelt des Großveziers, allein zu 400,000 Thaler
geichätzt, fallt in die Hände der Sbeger.
Das erlöste Volk sandte innige Dankgebete zum Himmel, und die
Namen Sobiesky, Lothringen und Stahremberg waren in aller Munde.
Auch hatten die Oestreicher Ursache, für ihre Errettung dankbar zu sein;
*) Der Kalenberg nördlich von Wien.