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Heimatkunde für die Provinz Rheinland.
die Kerne getragen. Früher war Wesel eine bedeutende Festung, jetzt sind die
Festungswerke niedergerissen. Doch liegen noch zahlreiche Soldaten zum Schutze
der nahen Grenze in der Stadt. Ihr Exerzierplatz, der sich vor dem Berliner
Tore befindet, trägt ein schönes Denkmal aus Gußeisen. Unter ihm ruhen
die elf Schillschen Offiziere, die im Jahre 1809 von den Franzosen gefangen
genommen und hier auf Befehl Napoleons erschossen wurden. Die letzte deutsche
Stadt am Rhein ist Emmerich, das schon ein solch holländisches Gepräge
trägt, daß wir uns bei den biederen Niederländern glauben. Zwei Lahnhöfe,
ein deutscher und ein holländischer, liegen dicht beieinander. Eben kommt ein
Zug aus Holland. „Uitstappen, Heeren en vames" ertönt es aus dem Munde
des holländischen Schaffners. Alle Reisenden steigen aus und begeben sich in
einen großen Saal, hier sind Tische hufeisenförmig aneinander gestellt. Auf
diese legen die Reisenden ihr Gepäck, das von einem Zollbeamten unter-
sucht wird, haben sie aus Holland Zigarren, Tabak, Kaffee, Tee oder Kakao
mitgebracht, so müssen sie dafür eine Abgabe oder Zoll zahlen. Der Zoll ist
eine Steuer, die an der Grenze des Landes erhoben wird für Waren, die aus
dem Auslände eingeführt werden. Sind die Reisenden dieser Steuerpflicht
nachgekommen, so besteigen sie wieder den Zug, und die Fahrt geht nun weiter.
XX. Das Niersgebiet und die linksrheinischen Städte.
1. Städte mit Baumwollindustrie. Vie N i e r s , deren Quelle südlich
von Odenkirchen zu suchen ist, schleicht langsam durch Wiesenniederungen
dahin, der Maas zu. An ihrem Oberlaufe ist die Baumwollindustrie heimisch.
Bis zu Anfang des vorigen Jahrhunderts stand hier die Leinenindustrie in
voller Blüte- denn der äußerst fruchtbare Boden lieferte einen vorzüglichen
Flachs. Jetzt erfreut uns in dieser Gegend nur noch selten das liebliche Blau
eines Flachsfeldes. Einige Flachsspinnereien besitzt auch heute noch Viersen,
der Mittelpunkt der früheren Flachsbaugebietes. Weit gewinnbringender
als die Leinwandindustrie erwies sich jedoch sehr bald die Verarbeitung der
aus heißen Ländern eingeführten Baumwolle. München-Gladbach
ist im Rheinland der hauptsitz für die Baumwollindustrie. Oer Name
München deutet darauf hin, daß Mönche vor etwa 1000 Jahren sich dort
niederließen und eine Abtei gründeten. Sie wurde im Jahre 1802 aufgehoben,-
ihre Gebäulichkeiten dienen als Rathaus. Das früher bescheidene Landstädtchen
reiht sich jetzt den wichtigsten Fabrikorten des Niederrheins an. Es zählt über
30 Spinnereien und ebenso viele Webereien und Färbereien. Fleißige Hände
stellen für viele Millionen Mark Baumwollwaren her, die nach allen Gegenden
Deutschlands, ja, durch die ganze Welt verschickt werden, vie hier eingerichtete
höhere Fachschule bildet tüchtige Weber heran. Mit München-Gladbach wett-
eifert das nahe Rheydt in der Herstellung guter Baumwollstoffe, vie Stadt
baute sich um das dicht an der Niers gelegene Schloß an; das wahrscheinlich
von der Abtei München-Gladbach errichtet wurde, ven Namen der Stadt weiß