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eine stärkere Macht, als die seinige ist und er fürchtet sie, und da er den
einen Gott nicht mehr kennt, so fürchtet er nun Götter, welche die so ver¬
schiedenen Elemente bewegen. Sonne, Mond und Sterne leuchten freund¬
lich herab auf die Erde, wandeln unabänderlich ihren Gang, während die
Geschlechter der Menschen kommen und verschwinden— er weiß nicht, daß
sie die Lichter sind, welche Gott an den Himmel gesetzt hat, um die Erde
zu erleuchten und die Zeiten zu unterscheiden, er hält sie für Götter, liebt
sie und verzweifelt, wenn Sonne oder Mond sich verfinstern, weil er sie
von bösen Mächten bedroht wähnt. Wie ein Gott die Wogen des Meeres
hebt oder sänftigt, so waltet ein anderer, minder mächtiger, im Strome
und in der rieselnden Quelle. In dem Schooße der Erde wächst auf ge-
heimnißvolle Weise das wunderbare Metall; der Mensch gräbt in die dunkle
Tiefe und da strömen bald unterirdische Fluchen herbei, bald tanzen bläu¬
lichte Lichter oder es sprühen donnernde Feuerflammen — auch da sind
Götter, Vulkan, Kyklopen, Kobolde! Die Erzeugnisse der vergötterten Ele¬
mente werden nun auch göttlicher Natur, denn ist die Sonne ein Gott, so
ist ihr Strahl auch göttlich, und ist die Erde eine Göttin, so ist auch das
Thier, das seinen Leib von ihr hat, und die Pflanze, die aus ihr sproßt,
göttlichen Wesens. So wird die ganze Natur mit Göttern angefüllt, alle
Naturgegenstände werden göttlichen Wesens und darum mag der blinde
Mensch wohl das Thier anbeten und vom Stein und Baumstamm Erhörung
hoffen (Fetischdienst), oder da auch er ein Kind der göttlichen Erde oder
irgend eines andern Gottes Sohn ist, so mag er sich selbst anbeten lassen.
Unendlich mannigfaltig ist die Abgötterei, je nachdem ein Volk sie mit mehr
oder weniger Scharfsinn ausgebildet hat; dem Hindu und Griechen schim¬
mert und strahlt seine unendliche Götterreihe, der Kamtschadale hat frostige
Götter, wie er selbst ist, der Ostiake opfert einem Baumstrunkc, der Aegyp-
tier betet einen Stier an, der Römer baut Tempel dem Cäsar' Augustus.
So wird der Mensch, den Gott zum Herren der Natur hingestellt hat,
deren Knecht; so wird ihm sein Dasein und das der Sinnendinge zum
Räthsel, das er vergeblich zu lösen sucht, weil er vergeffen hat, daß ein¬
mal das Allmachtswort geschoben. Unendlich mannigfach, wie die Abgötterei,
sind auch deren Uebel, die sie dem Menschengeschlecht zugefügt hat, ihr
Fluch aber, den sie ihren Dienern gibt, ist - die Sklaverei. Der Götzen¬