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Und sie aßen zusammen, die zwei,
litt keiner Mangel und Not dabei.
Und als dann der Sommer kam so warm,
da kam auch manch böser Fliegenschwarm;
doch der Sperling fing hundert auf einmal,
da hatte das Pferd nicht Not und Qual.
Wilhelm Hhey
99. Jugenderinnerungen eines Sperlings.
Meine lieben Eltern hatten, als ich das Licht der Well
erblickte, ihr Nest unter dem vorspringenden Dache eines alten,
aber noch wohlerhaltenen Hauses in Pankow. Teils hatte sie
zu dieser Wahl der Umstand bestimmt, daß sie hier warm und
trocken saßen, teils der, daß das Haus mit Wein berankt war,
und daß dicht bei demselben ein paar Kirschbäume standen,
die im Sommer die schmackhaftesten Früchte trugen.
In jenem für mich so wichtigen Frühling hatte meine
Mutter vier Eier gelegt, aber sie hatte nur an einem die Freude,
einen jungen Spatz ausschlüpfen zu sehen, und dieser Glückliche
war ich. Va war es denn natürlich kein Wunder, daß ich vor—
zůglich zedieh; denn ich wurde gut und reichlich beköstigt, und
beide Eltern bemühten sich unablässig um mein Wohlergehen.
Nackt war ich zur Welt gekommen; aber nach und nach wuchsen
mir e Federn, und eines Tages sagte mein Vater, der zuerst
e Geduld mit mir verlor: „Junge, du bist nun flügge, ver⸗
uche es doch einmal, auf den nächsten Baum dort zu kommen!“
Ich erinnere mich noch genau, wie es mich ängstigte, als ich vom
Nestrand zum erstenmal in die Tiefe blickte. Ich zauderte noch
einen Augenblick, erhielt aber plötzlich einen Stoß und mußte
nun, wohl oder übel, mein Heil versuchen. Kräftig rudernd ge⸗
langte ich auf die bezeichnete Alazie.
Da saß ich nun. Mir pochte das Herz. — Von hier
aus konnte ich den ganzen Hof übersehen. Da liefen eine
MNenge verschiedenartiger Vögel umher, die großen Lärm
machten. Ein vierbeiniges Tier an einer Kette lag vor einem