Full text: Geschichte des Altertums (Teil 7)

38 Griechische Geschichte. 
Parteikämpfe- mehr anschwellende Schar der Matrosen und Tagearbeiter. *) Nur ein 
edler, vom allgemeinen Vertrauen getragener Mann von der größten 
Umsicht konnte in solcher Lage den Staat vor schweren Erschütterungen 
bewahrend) Sonst raste der wütendste Parteikampf mit Hinrichtungen, 
Ermordungen, Einziehen der Güter und Verbannungen durch die 
Stadt. Schließlich setzte sich (zuweilen nach voraufgegangener Timokratie) 
die Volksherrschaft durch, der nicht selten die Pöbelherrschaft 
folgte. In Sparta und Theben und lange auch in einigen Städten 
Süditaliens behauptete sich die Adelsherrschaft, in Südrußland sogar 
das Königtum der Spartokiden. Immer aber lehnten sich Staaten 
gleicher Verfassungsform gern an einander an. (Die verkehrsarmen 
Länder, wie z. B. Teile Arkadiens und Mittelgriechenlands, nahmen an 
diesen Änderungen wenig teil.) 
Die Gewaltherr- Solche gespannte Verhältnisse benutzten kühne, ehrgeizige Männer, 
schaft meift mit ihren Genossen zerfallene Ebelleute, um sich mit Hilfe des von 
ihnen getäuschten Volkes ber Alleinherrschaft zu bemächtigen. Ohne ge- 
schlichen Boben, fortwährenb von ben „Besten" bebroht, suchten sie sich 
burch Leibwachen, Bünbnisse mit gleichartigen Fürsten, Anlehnung an 
große Barbarenstaaten nnb, oft grausame, Nieberhalwng bes Abels zu 
behaupten. Glänzenbe Hofhaltung, Prachtbauten, Förberuug ber Kunst, 
Hebung ber wirtschaftlichen Verhältnisse sollten bie einen blenben, bte 
anbern gewinnen, teilweise weitgehenbe Fürsorge für bie unteren Klassen 
ihren Anspruch, Vertreter bes Volkes zu sein, rechtfertigen. Weil aber 
auf Sanb gebaut, brachen biese Gewaltherrschaften balb wieber, spätestens 
in ber britten Geschlechtsfolge, zusammen. Wegen ihrer Entstehung unb 
ihres Wirkens war „bte Tyrannis" eine Vorbereitung ber Volksherrschaft. 
Einzelne Solche Herrscher waren in Milet Thrasybul und Histiäus, auf 
Tyrannen. Samos der rücksichtslose Polykrates, der sich vermittels einer Flotte von 
Im Osten- 100 Schiffen zum Herrn eines Küsten- und Jnselreiches machte, wunderbare 
Bauwerke schuf und erst mit Amasis von Ägypten, dann mit Kambyses ein 
Bündnis schloß, das ihn freilich nicht vor einem gewaltsamen Ende schützte. 
Im Westen- Um 400 gründete von Gela aus Gelon, dem sein Bruder Hieron folgte, 
ein ostsizilisches Reich mit der Hauptstadt Syrakus, das durch gewaltsame 
Verpflanzungen vieler Menschen aus den Nachbarstädten zur größten Hellenen- 
stadt wurde. Das mittlere Drittel der Insel hatte Theron von Agrigent 
inne. Weithin bekannt waren in Althellas Kleisthenes von Sicyon, der 
JmMntterlandc- die delphische Priesterschaft durch die Zerstörung der phocischen Hafenstadt 
Krissa für sich einnehmen wollte, und Periander von Korinth (um 600), 
der Gründer zahlreicher Pflanzstädte. In Athen herrschten Pisistratus 
und sein Sohn Hippias (— 510). Nicht gelang aber bie Aufrichtung 
einer solchen Herrschaft in Sparta. 
1) In Milet unterschied man zwischen der nlovxis („bourgeoisie") und der 
%eiQoncc%icc („den Arbeitern")- 
2) So Solon in Athen, Pittakus in Mytilsne auf Lesbos.
	        
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