Full text: Geschichte des Mittelalters und der Reformationszeit (Teil 8)

160 Das Mittelalter. 
glühendem Eifer erfüllt, ihnen darin nachzuahmen, widmete man sich mit 
Studium des Begeisterung dem Studium der alten Schriftsteller. Die Klöster und 
Altertums. Kirchen wurden nach bisher verborgen gebliebenen Handschriften durchforscht, 
die noch vorhandenen Denkmäler der alten Kunst aufgesucht und ehrfurchtsvoll 
betrachtet. Von dem Zauber der Verse Vergils berauscht, schuf Francesco 
Petrarka (um 1350) lateinische Dichtungen, die solchen Beifall fanden, 
daß er auf dem römischen Kapitol als Dichter gekrönt wurde. Sein Zeit- 
genösse Giovanni Boccaccio verfaßte mehr prosaische Werke. Bald 
wurden selbst die staatlichen Urkunden in gutem Latein abgefaßt. Seit 
dem Ausgange des 14. Jahrhunderts trat das Griechische hinzu. Flüchtige 
griechische Gelehrte dienten als Lehrer; war Aristoteles die Grundlage der 
Scholastik, so feierte man jetzt Plato, und in Florenz wurde eine plato- 
nifche Akademie gegründet. Immer größere Kreise wurden dem neuen 
Die Humanisten. Menschheitsideal und den neuen Studien, dem Humanismus, gewonnen. 
Viele Vertreter derselben wanderten von Stadt zu Stadt, von Fürstenhof 
zu Fürstenhof, erklärten die Schriftsteller der Alten und lehrten geschmack- 
volle lateinische Ausdrucksweise. Ihr freies Urteil scheute nicht vor Gegen- 
ständen zurück, welche für unbedingt wahr galten. Laurentius Valla 
fand, daß die Nachricht von der KonstaKtinschen Schenkung eine Fälschung 
Ihre Eigenart, sei. Indem aber die Humanisten und ihre Anhänger allzu sehr den Nach- 
druck auf die schöne Form, in Kunst, Wissenschaft und im Leben, legten 
und sich als freie Menschen auch über die sittlichen Schranken hinwegsetzten, 
geschah es, daß ihre Gedichte öfters dem Inhalt nach wenig bedeutend waren, 
und ihr Wesen zwar hohe ästhetische Bildung, aber auch viel Selbstsucht, 
ausgesuchtesten Sinnengenuß und Sinnlosigkeit zeigte. So waren die durch 
die Vereinigung des italienischen Volksgeistes mit dem Altertum hervor- 
gegangenen ersten „modernen", auf sich gestellten Einzelmenschen („Jndi- 
Vitium") zwar zum Teil selbstherrliche, gewaltige Künstler und große 
Gelehrte, zum Teil aber in schrankenlose Genußsucht und Selbstsucht ver- 
sunkene Männer nach Art des Alcibiades und des ersten Dionys. 
b. Die „Wiedergeburt" der bildenden Künste. Die bildenden Künste 
traten seit dem Jahre 1400 zu der neuen Richtung in Beziehung, nachdem 
schon vorher eine durch anatomische Studien und eine gewisse Beeinflussung 
seitens der vlämischen Kunst (z. B. in Bezug auf die Luftperspektive) ge- 
förderte, mehr realistische Darstellungsweise aufgekommen war. Zuerst zeigte 
sich das Streben nach einer Wiederherstellung der alten Kunstformen in 
Baukunst, der florentinischen Baukunst. Im 15. Jahrhundert, in der Zeit der 
„Frührenaissance" (Quattrocento), wurden noch mittelalterliche Formen 
mit alten vermischt angewandt. Die letzteren, in Ermangelung der Kenntnis 
hellenischer Bauwerke, der römischen Antike entlehnt (Säulen, Pilaster, Ge- 
bälkstücke, Bogen und Kuppeln), dienten zur Ausschmückung. So schuf 
Brunelleschi, der Erbauer der Kuppel des Domes zu Florenz, in der- 
selben Stadt die Kirche S. Lorenzo (eine flachgedeckte Säulenbasilika) und 
den Palazzo Pitti, andere die Paläste der Strozzi und Riccardi. In 
Oberitalien entstanden die herrliche Certosa (Kartause) bei Pavia und der 
Hochrenaissance, östliche Flügel des Dogenpalastes zu Venedig. Die „Hochrenaissance^ 
(1500—1580, Cinquecento) strebte bei gleicher Wahrung der rythmischen
	        
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