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Das Zeitalter der religiösen Kämpfe 1519 —1648.
1539. der ältere, Kurfürst Joachim II., nahm 1539 zu Spandau das
Abendmahl unter beiderlei Gestalt und gründete unter Einziehung
des Kirchenguts eine Landeskirche. Bald darauf begann der Kur-
m Köln fürst von Köln, Hermann von Wied, in seinem Erzstift die
in Kurpfalz Reformation durchzuführen. Auch der Kurfürst Friedrich u. von
1546' der Pfalz trat zu Anfang 1546 zu der neuen Lehre über.
Damals erhielt der größte Teil von Norddeutschland seinen
protestantischen Charakter; zugleich hatte in Südwestdeutschland der
Protestantismus Wurzel gefaßt. In diesen Jahren hatte auch Hein¬
rich VIII. von England, freilich aus unlauteren Beweggründen
'(f. § 142), sich von Rom losgesagt und eine anglikanische Landes-
kirche gegründet.
Die Wieder- § 128. Die Wiedertäufer in Münster. In derselben Periode
taufer. ^,urde von seiten der radikalen religiösen Richtung, der bereits
die Zwickauer Propheten und Thomas Münzer angehört Hattert, der
Versuch gemacht ihren Ideen mit Gewalt zum Siege zu verhelfen. Das
Wesentliche in ihrer Lehre war, daß sie höher als die Autorität der
Schrift die innere, göttliche Erleuchtung des einzelnen schätzten, daß
sie nicht in der Rechtfertigung durch den Glauben, sondern in einem
apostolisch einfachen und sittenstrengen Leben den Kern des Christen-
tums sahen, daß sie eine organisierte Staatskirche verwarfen, endlich,
daß sie an die Stelle der Kindertaufe die Taufe der Erwachsenen
setzten. Vielfach grausam verfolgt, nicht nur in katholischen Landen,
sondern auch in den reformierten Kantonen der Schweiz und in Kur-
sachsen, hielten sie doch mit großer Statthaftigkeit an ihrem Glauben
fest. Von den Niederlanden, wo die Wiedertäufer besonders viel
Anhang gefunden hatten, kamen sie nach Münster, wo besonders
Das Wieder- unter dem Einfluß des Predigers Rottmann die Reformation durch-
in°Mllnster geführt worden war, gewannen besonders die niedere Bevölkerung,
1534. afoer auch Rottmann selbst für sich und gründeten eine theokratisch-kom-
munistische Verfassung. Unter Führung des Propheten Jan Matthys
aus Haarlem errichteten sie einen Rat der Ältesten, führten Güter¬
gemeinschaft und Vielweiberei ein und vertrieben oder töteten alle,
die sich dagegen auflehnten. Nach Matthys' Tode warf sich Jan
Bockelson (Beuckelßen) aus Leyden zum König von Zion auf, um-
gab sich mit einem glänzenden Hofstaat und führte ein despotisches
Regiment.
Der Bischof von Münster, der die Stadt belagerte, fand endlich
Hilfe bei benachbarten Reichsständen. Die Stadt wurde erobert,
1535. Johann von Leyden und andere Führer der Bewegung grausam hin-
gerichtet und das Wiedertäusertum, freilich zugleich die Reformation
in Münster unterdrückt.