Das Ende Kaiser Wilhelms I. und Kaiser Friedrichs.
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gespielt; es nahm eine führende Stellung unter den europäischen Na-
tionen ein, wie es z. B. durch die Berufung des Kongresses zur Be-
ratung der Orientfrage und der Afrikakonferenz nach Berlin anerkannt
wurde; und die Reichsregierung wußte durch Abschluß von Bünd-
nissen und kluge Benutzung der auswärtigen Lage, zugleich aber auch
durch Stärkung der inneren Kräfte des Reiches diese Stellung zu
behaupten.
In glänzenden Festen hatte die gehobene Stimmung der Na- Nationale
tion ihren Ausdruck gefunden; das Kölner Dombaufest, das Fest der i8jo?te'
Einweihung des Niederwalddenkmals, die Feier des siebzigsten Ge- 1883.
burtstags des Fürsten Bismarck, die des neunzigsten Geburtstags des issö.
von Gott sichtlich gesegneten Kaisers selbst hatten Zeugnis abgelegt 1887.
von der stolzen und dankbaren Freude einer großen, geeinigten Nation.
Da traf den greisen Kaiser und mit ihm das gesamte Volk der
schwere Schlag, daß sein heldenhafter Sohn, der Kronprinz Friedrich
Wilhelm, von einer tückischen Halskrankheit befallen wurde, von der 1887.
er vergeblich in San Nemo an der Riviera Heilung suchte. Am
9. März 1888 starb der Kaiser selbst nach kurzem Unwohlsein zum Tod Kaiser
tiefen Schmerz des deutschen Volkes, unter der Teilnahme der ganzen ^März"i883.
zivilisierten Welt. „Die heldenmütige Tapferkeit", sagte damals Fürst
Bismarck im Reichstage, „das nationale, hochgespannte Ehrgefühl und
vor allen Dingen die treue, arbeitsame Pflichterfüllung und die Liebe
zum Vaterlande, die in unserem dahingeschiedenen Herrn verkörpert
waren, mögen sie ein unzerstörbares Erbteil unserer Nation sein, das
der aus unserer Mitte geschiedene Kaiser uns hinterlassen hat."
In schwerer Zeit bestieg, ein siecher Mann, Kaiser Fried- Kaiser
rich III. den deutschen und preußischen Thron. Fürst Bismarck blieb SneDn
auch unter ihm an der Spitze der Regierung. Am 15. Juni ver- 15. Juni
schied der zweite deutsche Kaiser.
So übernahm denn die Regierung Kaiser Wilhelm II., von Wilhelm n.
dem festen Willen erfüllt, das Erbe einer großen Zeit, insonderheit
den friedlichen Charakter des deutschen Reiches zu wahren. Er ist
geboren am 27. Januar 1859, erhielt zuerst Privatunterricht und
besuchte sodann von 1874 —1877 das Gymnasium zu Cassel, wo
er die Reifeprüfung bestand. Darauf trat er als Premierlieutenant
beim ersten Garderegiment zu Fuß ein, unterbrach aber die mili-
täusche Dienstzeit durch einen zweijährigen Studienaufenthalt in Bonn
vom Herbst 1877 bis zum Herbst 1879. Seit 1881 ist er ver¬
mählt mit Auguste Viktoria, Prinzessin von Schleswig-Holstein-
Sonderburg-Augustenburg. Am 20. März 1890 trennte er sich von i890.
dem Fürsten Bismarck; an seiner Stelle wurde der General der In-
fanterie v. Caprivi zum Reichskanzler ernannt, dem 1894 der Fürst von 1894.
Hohenlohe - Schillingsfürst, bisher Statthalter des Reichslandes, folgte.