fullscreen: Neues Realienbuch für Schule und Haus

Die englische Verfassung. 305 
bargen und von dort den Kampf gegen die fremden Bedrücker 
mutvoll bestanden. Die persönliche Freiheit und Selbstverwaltung 
der Eingeborenen blieb fortwährend erhalten, auch mußten alle 
Eingriffe an dem festen trotzigen Sinne des Volkes scheitern; 
die kleinen Grundbesitzer nnd die Bewohner der immer mehr aus¬ 
blühenden Städte hielten an ihren alten Gebräuchen fest, oder 
wie man sich ausdrückte an den „Gesetzen des guten Königs 
Eduard", nach dessen Tode (1066) ja gerade die Fremdherr¬ 
schaft gekommen war, und schon seit 1100 gelobten die Könige 
die Anerkennung dieser Gesetze. Ebenso führte auch die niedere 
Geistlichkeit in Wort und Schrift die Verteidigung der nationalen 
Selbständigkeit, während die hohen Geistlichen Franzosen waren 
und nur französisch sprachen. So haben wir das seltsame Schau¬ 
spiel, daß obwohl Franzosen das herrschende Volk waren und 
Franzosen aus Englands Throne saßen, dennoch der altsächsische 
Freiheitssinn die fremde Fessel sprengte, bis um 1200 die fran¬ 
zösischen Besitzungen verloren gingen und nun die uormännischen 
Großen vor der Wahl standen, sich für Frankreich oder England 
entscheiden zu müssen. Die Verschmelzung mit ihrem neuen 
Vaterlande führte zur Begründung der englischen Verfassung und 
erst jetzt beginnt die Geschichte der englischen Nation. 
Wie unaufhaltsam nun der Umschwung in der nationalen 
Gesinnung erfolgt, ersehen wir aus der Thatsache, daß noch 
unter Richard Löwenherz, also kurz vor 1200, der gewöhnliche 
Fluch eines normannischen Edelmannes lautete: „Möge ich ein 
Engländer werden!" und daß 100 Jahre später die Nachkommen 
derselben Adligen sich mit Stolz „Engländer" nannten. Die 
große politische Einigung begann in einer für England traurigen 
Zeit. Der englische Nationalstolz war durch den Verlust der 
französischen Besitzungen (1214) auf's gröblichste verletzt worden 
und nun zwang der hohe Adel unterstützt von dem Rate der 
Stadt London den König Johann^) (ohne Land) zur Erteilung 
des großen Freiheitsbrieses, der unter dem Namen der magna 
1) Johann ohne Land, war der jüngste Sohn Heinrich II. von 
England und erhielt, obwohl ihm sein Vater einst scherzend den Bei¬ 
namen „ohne Land" gegeben hatte, doch ausgedehnte Besitzungen in 
England und folgte mit Übergehung seines Neffen Arthur von Bretagne 
1199 seinem Bruder Richard Löwenherz auf den Thron. Er war ein 
schwacher, aber eigenwilliger und grausamer Herrscher. Als er dem 
Grafen de la Marche seine Braut entriß und seinen Neffen Arthur er¬ 
morden ließ, ward er vom französischen König Philipp II. aller seiner 
Lehen in Frankreich für verlustig erklärt und verlor durch die Niederlage 
bei Bouvines (1214) die Normandie und Bretagne. Diese Verluste 
waren die unmittelbare Ursache zur Erteilung der magna Charta. 
Hofsmann, Weltgeschichte re. II. 20
	        
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