Full text: Geschichte des Altertums, deutsche Geschichte bis zur Gründung des nationalen Staats 919 (Teil 1)

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des Erscheinens bei den Gerichtstagen zu entziehen, schließlich um sich 
vor Gewalttaten mächtiger Nachbarn oder des Grafen selbst zu schützen, 
in den Schutz eines geistlichen oder weltlichen Grundherrn traten: sie ®fjj£JBbeä 
überließen ihm ihr Gut zu eigen und erhielten es als halbfreie, ab- 
hängige Leute zurück. Infolgedessen schmolz die Zahl der freien 
Bauern zusammen; die Grundherrschaften dagegen ber« 
größerten sich nach außen und erstarkten nach innen; sie wuchsen zu 
Staaten im Staate heran. 
Überhaupt konnte es nicht ausbleiben, daß durch das Lehnswesen |e°^"ue^s 
die staatliche Gewalt mehr und mehr geschwächt wurde. Diejenigen, 
welche von den großen Herren Land zu Lehen erhalten hatten, fühlten 
sich zunächst diesen verpflichtet und nicht dem obersten Lehnsherrn, dem 
Könige: so wurde der Zusammenhang zwischen König und Volk ge- 
lockert, und an Stelle des Untertanenverbandes trat der 
L e h n s v e r b a n d. Ferner setzte sich für die Lehen der Grundsatz 
der Erblichkeit im Lauf der Zeit immer mehr durch; dadurch 
wurden die verliehenen Grundstücke dem Verleiher, dem Könige, all- 
mählich entfremdet. Dazu kam, daß man bald anfing, nicht allein 
Grundstücke, sondern das gräfliche Amt und andere Ämter, G e - 
rechtigkeiten und Hoheitsrechte jeder Art als Lehen anzu- 
sehen. So erfaßte das Lehnswesen das gesamte staatliche und soziale 
Leben. 
Das Lehnsverhältnis beruht auf einer sittlichen Verpflichtung, 
der T r e u e. Diese moralische Auffassung verleiht dem Mittelalter- 
lichen Rittertum einen Teil seines Glanzes; sie hat sich aber auf die 
Dauer nicht kräftig genug erwiesen, die auf das Lehnswesen gegründe- 
ten Staaten zu erhalten. 
§ 165* Karls Sorge für das geistige Leben. Durch zweierlei suchte. 
Karl das geistige Leben seines Volkes zu fördern und zu vertiefen: 
durch das Christentum und die antike Kultur. Von dem Christentum 
Gedanken des Gottesstaates ausgehend, gründete er Bistümer und 
Klöster, umgab sich mit geistlichen Beratern, trat für strenge Kirchen- 
zucht ein und sorgte für die Ausbildung der Geistlichen. Er richtete 
Schulen und Büchersammlungen ein und berief bedeutende Gelehrte Bildung 
an seinen Hof, vor allem den Angelsachsen Alkuin, der die Hof- 
schule in Aachen gründete und später die Klosterschule von Tours als 
Abt leitete, und Einhard, der das Leben des Kaisers beschrieb. Von 
dem Kaiser begünstigt, entstand eine lateinische Hofpoesie und eine la-
	        
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