Das Zeitalter des Emporkommens
Preußens.
1648 — 1786.
Überblick.
§ 114. In der Periode der Geschichte, welche boirt Westfälischen Verfall des
Frieden bis zum Ende des achtzehnten Jahrhunderts reicht, schreitet der 9ieid;eö
Verfall und die Zersplitterung des Deutschen Reiches weiter fort,
bis es sich schließlich auflöst. Von einer nationalen Reichspolitik ist
nicht mehr die Rede. Wie das. nach einer europäischen Großmacht-
stellung trachtende Österreich, so verfolgen auch die übrigen Einzelstaaten,
durch den Westfälischen Frieden souverän geworden, ihre Sonder-
interessen.
Unter diesen Umständen ist für die Geschichte der Nation das be- Empor-
deutendste Ergebnis dieses Zeitalters, daß der brandenburgisch -Preußens
preußische Staat innerlich und äußerlich so erstarkt, daß seine
Interessen mehr und mehr mit den allgemeindeutschen Interessen zu-
sammenfallen und er fähig wird, den Kern zu bilden für ein in Zukunft
neu erstehendes deutsches Reich.
Von wesentlicher Bedeutung ferner ist es, daß sich 'in dieser Periode Die
> r, r r r y europäischen
etn System beherrschender europäischer Mächte ausbil-Großmächte
det, deren gegenseitige friedliche oder feindliche Beziehungen den Haupt-
inhalt der äußeren Geschichte des Zeitalters bilden. Spanien tritt
infolge inneren und äußeren Verfalls völlig zurück; es geht zugleich
dem Hause Habsburg verloren und fällt an die bourbonische Familie.
Ebensowenig sind S ch w e d e n und Holland in der Lage, die künst-
liche Großmachtstellung zu behaupten, welche das eine als Militärstaat,
das andere als Handels- und Kolonialstaat erworben 'hatte. Dagegen
schwingt sich Frankreich, geleitet von bedeutenden Persönlichkeiten,
denen es gelingt, seine inneren Hilfsquellen in einer gewaltigen Ein-
heit zusammenzufassen, zu einer maßgebenden, zeitweise beherrschenden
Stellung empor. Ihm tritt, nachdem seine Übermacht durch den Wider-
Neubauer, Lehrbuch der Geschichte, Ausgabe G für Oberlyzeen. II. 9