96. Der Pudel.
Alfred Edmund Brehm. Die Siiugstiere. 1. Band. Leipzig.
Den Pudel zu beschreiben ist fast unnötig, da jedermann ihn
kennt. Der gedrungene Körperbau mit den langen, wolligen, zottigen
Haaren, die hie und da förmliche Locken bilden und den ganzen
Hund dicht einhüllen, die langen und breiten Ohren kennzeichnen ihn
vor seinen Verwandten. Ein schöner Pudel muß ganz weiß oder
ganz schwarz sein, er darf höchstens bei ganz schwarzer Farbe einen
weißen Stirn- oder Brustflecken haben.
Körperlich ist der Pudel zu allen Künsten vorzugsweise geeignet.
Tanzen lernt er fast von selbst; denn seine halbmenschliche Natur treibt
ihn, sich an seinem Herrn aufzurichten, sich auf zwei Beine zu stellen
und aufrecht zu gehen. Bald genug merkt er, daß er es kann, und
er tut es sehr oft von selbst, wenn er will.
Sein Geschmacksinn ist fein, er unterscheidet zwischen Speisen sehr
genau; er ist ein Leckermaul. Sein Geruchssinn ist berühmt. Gibt
man ihm einen Schuh oder sonst etwas von einem verlorenen Kinde
zu riechen, so findet er das Kind, und kaum täuscht er sich jemals
dabei. Er fühlt auch fein; für körperliche Schmerzen ist er sehr
empfindlich und sehr wehleidig. Sein Gehör ist vortrefflich. Von
weitem erkennt er die Stimme, unterscheidet sie auch, merkt den Unter¬
schied der Glocken und Klingeln, die Art und Weise und den Ton des
Schrittes seiner Hausgenossen. Aber sein Sehvermögen ist nicht sehr
entwickelt; er erkennt seinen Herrn nur, wenn er ihm ziemlich naheist.
Der Ortssinn des Pudels ist ausgezeichnet. Er findet den Weg
nach Hause Stunden und Tage weit her. Er läuft in der Stadt oder
auf dem Lande willkürlich und besucht, mit der Gewißheit zu finden,
irgend ein Haus, in dem er mit seinem Herrn, sei es auch nur
einmal, gewesen, in dem ihm etwas Gutes angetan worden ist. Des¬
halb kann er abgerichtet werden, Brot beim Bäcker, Fleisch in der
Fleischerei zu holen.
Sein Zeitsinn ist merkwürdig; er weiß, wann Sonntag ist, er
kennt, wie der hungrige Mensch, die Mittagsstunde und die Schlacht¬