Der französisch-russische Krieg 1812.
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Die russischen Truppen, die weit schwächer waren, stellten sich nicht zur
Schlacht, sondern zogen sich in das Innere des Landes zurück. In schnellem
Marsche folgte ihnen der Feind; aber die Landschaften, die er durchzog,
waren öde und arm, es mangelte an Nahrungsmitteln, mörderische Krank-
hetten rissen ein, und schon jetzt löste sich im Heere die Zucht und Ordnung
in erschreckender Weist. Bei S m o l e n s k wurden die Russen geschlagen.
Auch in der blutigen Schlacht bei B o r o d i n o an der Moskwa siegten die
Franzosen. Einige Tage später, im September d. I., zog Napoleon in
Mo s k a u ein; da wurde die Stadt durch eine auf Befehl des Gouverneurs,s™*btaöuon
des Fürsten Rostopschin, angelegte Feuersbrunst zum großen Teile in Asche
gelegt, mit ihr ein Teil der Magazine, aus denen sich die Franzosen hatten
verpflegen wollen.
Länger als einen Monat blieb Napoleon in der verbrannten Stadt;
er hoffte immer noch, daß Alexander Frieden schließen würde. Aber dieser
beharrte dabei, den Krieg fortzusetzen, und wurde in diesem Entschluß
bestärkt durch den Freiherrn vom S t e i n , den von Napoleon geächteten
früheren preußischen Minister, den er zu sich berufen hatte. So trat
Napoleon denn den Rückzug an. Die Hast des Marsches führte bald
eine völlige Zerrüttung der Mannszucht herbei; dazu trat nicht nur der
Hunger, sondern zugleich die Kälte, das Glatteis, der Schnee, die Ver-
folgung durch die Feinde, um das Ende der Armee herbeizuführen. Die
Pferde stürzten; von den Soldaten warfen viele die Gewehre fort, viele
blieben erschöpft liegen und erfroren, viele fielen in die Hände der Kosaken.
Das schwerste Schicksal traf das flüchtige Heer beim Ubergang über die von
Eisschollen erfüllte Beresina. Zwar gelang es Schiffbrücken zuBeresina.
schlagen, über welche trotz der feindlichen Angriffe die Truppenteile, die
noch Waffen trugen und in Reih und Glied marschierten, hinübergeführt
wurden; der ungeordnete Rest aber kam zumeist teils in den Fluten, teils
durch die Kanonen der Russen, teils durch die Kälte um. Geringe Reste
des Heeres retteten sich in kläglichem Aufzuge nach Preußen. Der Kaiser
selbst eilte über Warschau und Dresden nach Paris. Der Welt verkündete
er den Untergang der großen Armee durch das 29. Bulletin, das mit den
Worten schloß: „Die Gesundheit Seiner Majestät ist nie besser gewesen."
§ 24. Die Konvention von Tauroggen und die ostpreußische Er-
Hebung. Auch der linke Flügel der großen Armee hatte den Rückzug ange-
treten. Indessen erhielt der preußische General von Jork Anträge derN°rk.
Russen, von den Franzosen abzufallen und zu ihnen überzugehen. Aork
war ein eisenfester Soldat, oft schneidend schroff und rücksichtslos, aber