Full text: Vom Westfälischen Frieden bis auf unsere Zeit (Teil 5)

Der deutsch-französische Krieg. 
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den greuelvollen Aufstand der Pariser Arbeiterbevölkerung niederzuwerfen, 
der für Frankreich das Nachspiel des Krieges bildete. Die Nationalgarde, 
d. h. die bewaffnete Arbeiterschaft von Paris, hatte sich durch einen Auf- 
stand der Stadt bemächtigt und eine „Commune" geschaffen. Als März 1871. 
nach heftigen Kämpfen die Einnahme der Stadt durch die Truppen der 
Regierung von Versailles bevorstand, ließen die Führer des Aufstandes 
die Tuilerien, den Louvre und eine Reihe anderer hervorragender Gebäude 
der Stadt niederbrennen und eine Menge von Gefangenen schmachvoll 
niedermetzeln. Dem Siege der Regierung folgten viele Erschießungen. Mai I87i.i 
§ 138. Die Aufrichtung des neuen deutschen Kaiserreichs. Der große 
und siegreiche Nationalkrieg hatte weithin in Deutschland die begeisterte 
Überzeugung wachgerufen, daß jetzt die Zeit gekommen sei, die Einheit 
der Nation wiederherzustellen. In den Verhandlungen, welche mit den ^°g^mit 
süddeutschen Staaten über ihren Beitritt zum norddeutschen Bund zu Ver- Wen@toaten. 
sailles geführt wurden, vermied Preußen jeden Druck; „wir wollen kein ver- 
stimmtes, wir wollen ein freiwilliges Bayern", sagte Bismarck. Baden er- 
klärte hochsinnig zuerst seinen Anschluß, dann Hessen. Bgyern und Württem- 
berg wurden gewisse Reservatrechte gewährt: u.a. wurde beiden Nov. 1871. 
Staaten die Selbständigkeit ihrer Post- und Telegraphenverwaltung zu- 
gestanden; Bayern behielt für die Friedenszeit fast völlig die militärische 
Selbständigkeit. . Die Verträge wurden vom norddeutschen Reichstag und 
den süddeutschen Landtagen angenommen, in Bayern erst nach heftigem 
Widerstande der sog. Patriotenpartei. 
Indessen hatte König Ludwig II. von Bayern in einem Brief den 
König Wilhelm aufgefordert, den Namen eines Deutschen Kaisers an- 
zunehmen; dieselbe Bitte richtete an ihn der norddeutsche Reichstag. Der 
König erklärte sich zur Annahme bereit, und am 18. Januar 1871 fand 
im Spiegelsaale des Schlosses zu Versailles dieProklamatioudes Al°ma!wn 
neuenKaiserreiches statt. Ein Gottesdienst leitete die Feier ein; 
dann richtete der König eine Ansprache an die Versammelten; Graf Bis- 
marck verlas die .Proklamation „an das deutsche Volk", in welcher der 
Deutsche Kaiser versprach, „allezeit Mehrer des Deutschen Reichs zu sein 
nicht an kriegerischen Eroberungen, sondern an den Gütern und Gaben des 
Friedens, auf dem Gebiete nationaler Wohlfahrt, Freiheit und Gesittung"; 
darauf brachte der GroßheMg Friedrich von Baden, der sich nn- 
ausgesetzt für die Einigung bemüht hatte, das erste Hoch auf den neuen 
Kaiser aus. ! • ! - j 
Der Traum der deutschen Einheit war in herrlicher Weise in Er- 
füllung gegangen, und die Kaiserkrone schmückte ein Haupt, wie
	        
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