M.
Geistiges
Leben.
200 Das Zeitalter der religiösen Kämpfe. 1519 — 1648.
Auch die deutsche Literatur der Zeit, als deren Vertreter der
durch das „Buch von der deutschen Poeterey" (1624) berühmt gewordene
Martin Opitz und die Dichter der beiden schlesischen Dichterschulen zu nennen
sind, trägt den Charakter der Nachahmung, des Gelehrten und Gezierten,
ja Unwahren, wodurch sie von dem volkstümlichen Zuge, wie er die
Literatur des vorhergehenden Jahrhunderts beherrschte, scharf geschieden wird.
Volksmäßig und wahr blieb fast allein das deutsche Kirchenlied,
unter dessen Dichtern Paulus Gerhardt hervorragt. Das religiöse Inter¬
esse blieb überhaupt, wenigstens im deutschen Bürgerstande, ernst und echt;
da das Luthertum unter der Herrschaft einer einseitig die strenge Recht¬
gläubigkeit betonenden Richtung in eine Art von Erstarrung geraten war
so entwickelte sich ein neues Leben durch den Pietismus, der in
der zweiten Hälfte des Jahrhunderts entstand.
Die K u n st stand im wesentlichen unter dem Einfluß des Aus¬
landes ; die Baukunst z. B. verlor völlig die Verbindung mit der deutschen
Renaissance des sechzehnten Jahrhunderts und schloß sich ganz an die
Formen des italienischen und französischen Barockstils an. Nur in einer
Kunst entfaltete sich der innere Reichtum des deutschen Gemüts, in der
Musik, die in dem Zeitalter Händels und Johann Sebastian Bachs
Schöpfungen sieghafter Kraft und tiefsten Gehalts hervorgebracht hat.