Object: Deutsche Geschichte vom Ausgange des Mittelalters

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so haben doch nicht sie dem Christentum den Sieg verschafft, 
sondern vielmehr seine tatkräftigen Versuche, dem größten 
sozialen Uebel des versinkenden Weltreichs abzuhelfen, dem 
Druck der Massenarmut. Die christlichen Gemeinden versuchten 
sich zunächst auf kommunistischer Grundlage zu organisieren, 
doch scheiterten diese Versuche schon daran, daß sich der vorchrist¬ 
liche Kommunismus nur auf die Konsumtion, nicht aber auf 
die Produktion erstreckte; die Aechtung der produktiven Arbeit 
durch die Sklavenwirtschaft wirkte auch darin nach, daß die 
ersten Christengemeinden sich gar nicht ums Produzieren 
kümmerten. Hätten sie aber auch daran gedacht, so war das 
Privateigentum an den Produktionsmitteln für die damalige 
Zeit eine absolute Notwendigkeit, die dem urchristlichen Kom¬ 
munismus ein schnelles Ende bereitete, obgleich die älteren 
Kirchenväter noch sehr häufig und sehr heftig gegen den Reich¬ 
tum und die Ungleichheit des Besitzes gepredigt haben. Immer¬ 
hin — wenn das Christentum das Problem der Massenarmut 
nicht lösen, die Ungleichheit des Besitzes nicht aufheben konnte, 
so hat es in seinen Anfängen doch viel für die praktische Ein¬ 
dämmung der Massenarmut getan, was nicht zum wenigsten 
seinen weltgeschichtlichen Erfolg gesichert hat. 
Allein wenn sich die neue Religion durch das Scheitern 
des urchristlichen Kommunismus als unfähig erwies, die 
Klassengegensätze ihrer Zeit zu überwinden, so entwickelte sie 
aus sich selbst einen neuen Klassengegensatz. Aus der un¬ 
eingeschränkten Selbstverwaltung der ersten Christengemeinden 
erwuchs dadurch, daß sie an Macht und Reichtum zunahmen, 
eine herrschende Klasse, die Geistlichkeit, der die Klasse der Ge¬ 
meindeglieder nach und nach botmäßig wurde. Die Armen und 
Elenden, aus denen sich die ersten Gemeinden rekrutierten, 
besaßen nicht die Einsicht und die Kraft, ihre demokratische 
Verfassung zu bewahren; die Bischöfe wurden immer unab¬ 
hängiger von ihren Wählern, -und schon im 3. Jahrhundert 
stand den Gemeinden fast überall nur noch das Recht zu, die 
Kirchenbeamten zu bestätigen. 
Die Geistlichkeit hatte sich als geschlossene Körperschaft 
organisiert, die sich selbst ergänzte und nach ihrem Gutdünken 
über das Kirchenvermögen verfügte. 
Hand in Hand damit ging eine immer engere Zusammen¬ 
schließung der einzelnen Gemeinden, die ursprünglich völlig 
selbständig gewesen waren, zu einem großen Verein, der Ge¬ 
samtkirche. Gleiche Anschauungen, gleiche Ziele, gleiche Ver-
	        
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