I. Die Revolution in Frankreich (1789 — 991.
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Leben verstrickt, von gewaltiger Leidenschaftlichkeit und der
schärfste politische Kopf Frankreichs, in mehreren Schriften als
der beredteste Anwalt des Bürgerstandes hervorgetreten war; er
nahm für Aix an. Ihren Vertretern gaben die Wähler Verzeich¬
nisse ihrer Beschwerden und Wünsche (die cahiers) mit; dieje¬
nigen der ländlichen Bevölkerung entrollen ein grauenhaftes Bild
ihrer jammervollen Lage. Am 5. Mai 1789 wurde der Stände¬
reichstag in Versailles eröffnet und kam zunächst zu keiner Thä-
tigkeit, da die Regierung, in der Frage nach dem Abstimmungs¬
modus völlig ratlos, gegenüber dem passiven Widerstande aller
drei Stände die Hände in den Schofs legte. Am 17. Juni nahm
die Versammlung der Vertreter des dritten Standes auf Sieyès’
Antrag den Titel Assemblée nationale an; drei Tage darauf lei¬
steten sie im Ballhause sich gegenseitig den Schwur sich nicht
zu trennen, .bevor eine Verfassung zu stände gekommen sei.
Wieder drei Tage später verlangte der König — nicht im Wider¬
spruche mit Necker — die Tagung nach Ständen, und als Mira¬
beau seinem Abgesandten erklärte, die Versammlung werde nur
•der Gewalt der Bajonette weichen, liefs der König sie unbehelligt
und befahl dann sogar dem Adel und Klerus den Anschlufs an
•den dritten Stand, nachdem schon zahlreiche. Übertritte statt¬
gefunden hatten. So wurde in der That aus dem Ständereichs¬
tag die Assemblée nationale constituante.
ß) Zusammenbruch des ancien régime. Inzwischen war
in Paris (etwa 600 000 Einw.), das nur 2 Regimenter Garde, ein
französisches und ein schweizer, Garnison hatte und wohin zahl¬
lose Banditen zusammenströmten , der offene Aufruhr ausgebrochen,
der besonders von der Vorstadt St. Antoine und dem Palais Royal
ausging. Als Organisator des Pöbels that sich der junge Advokat
•Camille Desmoulins hervor (die Trikolore). Zum Schutze von Leben
und Eigentum gegen diese Massen ' bildete sich eine Bürgerwehr
{garde nationale), deren Befehlshaber der ebenso eitle wie be¬
schränkte Lafayette Wurde; es war das um so nötiger, als das
französische Garderegiment zu den Aufständischen neigte und das
schweizer die Stadt verliefs. Auf die Nachricht, Necker sei ent-
jlassen, erhob sich der Gassenpöbel und wälzte sich gegen die
Bastille; die geringe Besatzung und die Invaliden ergaben sich