Full text: Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart (Teil 3)

I. Die Revolution in Frankreich. (1789 — 99). 
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I annahm, kein Abgeordneter dürfe Minister werden. Verzweifelt 
t' arbeitete er an der Besiegung der Anarchie im geheimen weiter, 
P selber in gröfster Geldnot, daher vom Hofe grofse Summen neh- 
l, mend, äufserlich den Revolutionär spielend, und also in mora- > 
j lisch wie politisch unhaltbarer Stellung. 
y) Die neue Verfassung. In bewufstem Widerspruch zu 
allem geschichtlich Gewordenen wollte die Nationalversammlung 
j einen demokratischen Idealstaat nach abstrakten Doktrinen schaffen. 
: 1. An die Spitze der neuen Verfassung wurde verhängnisvoller 
¡Weise die Erklärung der Menschenrechte nach Rousseaus Lehren 
[(Freiheit und Gleichheit aller Menschen, Recht des Widerstandes 
I gegen Unterdrückung) gestellt, ohne dafs man der Bürgerpflichten 
gedachte, und so jede staatliche Autorität von vorn herein auf¬ 
gehoben. Adel, Titel, Wappen, jede Beschränkung der Presse 
wurden abgeschafft. Gemäfs Montesquieus Irrlehre von dex Tei- 
S lung der Gewalten wurde die einzige gesetzgebende Macht die 
Nationalversammlung. Der König durfte sie nicht auflösen, hatte 
| keine gesetzgeberische Initiative, ein nur suspensives Veto und 
i war Inhaber allein der vollziehenden Gewalt, die aber völlig 
machtlos gemacht wurde (s. 2.). Die Richter wuirden vom Volke 
auf 6 Jahre gewählt; somit war das oberste Erfordernis einer 
unparteiischen Rechtspflege, die Unabhängigkeit und Unabsetz¬ 
barkeit der Richter, nicht vorhanden, und dem gegenüber waren 
die wohlthätigen Neuerungen, Unentgeltlichkeit, Öffentlichkeit und 
Mündlichkeit des Prozefsverfahrens, Schwurgerichte für Straf¬ 
sachen, Aufhebung der Folter, ohne Belang. — 2. Zum Zweck 
der Verwaltung wurde Frankreich in 83 Departements, diese 
in Distrikte und Kantone und diese wieder in (gegen 43 000) 
Gemeinden geteilt, welche nicht nur die lokalen Angelegenheiten, 
sondern auch sehr wichtige Teile der allgemeinen Staatsverwal¬ 
tung zu besorgen hatten und, da zufolge der verhängnisvollen 
Verwechselung von Freiheit und Souveränität kein königlicher 
Beamter in ihnen waltete, souveräne Republiken wurden, ganz 
nach d’Argensons (S. 57) Vorschlag. So wurde die Anarchie 
französisches Staatsrecht. Sehr im Widerspruch aber mit den 
Menschenrechten wurde das aktive wie das passive Wahlrecht 
an einen Census geknüpft: trotz aller Phrasen wollte der dritte
	        
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