Full text: Lesebuch zur Geschichte des 19. Jahrhunderts

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niedere Volk gedrungen. In einem Wirtshaus vor Jena wurde einige 
Tage vor der Schlacht folgendes Lied gesungen: „Fürs Vaterland zu sterben 
wünscht mancher sich. Zehntausend Taler erben, das wünsch' ich mich. 
Das Vaterland ist undankbar, und dafür sterben? G, du Narr!" . . . 
Sieben Jahre später sang dasselbe Volk: „Der Gott, der Eisen wachsen 
ließ, der wollte keine Unechte ..." (Es hatte unter dem Drucke der Schmach- 
und Elendsjahre eine andere Kuffassung von dem Werte der idealen Güter 
erhalten und wußte nun, was das Vaterland bedeutet. 
5, Die Festungsgouverneure. 
Botjen, (Erinnerungen. Bö. I. — Die Hamen sind vervollständigt. 
Zu Gouverneuren und Kommandanten hatte man nur alte, durchaus 
abgelebte Greise gewählt und ihnen ebenso invalide Artillerieoffiziere ge- 
geben, den Ingenieurs vom Platz auch keine besondere Auswahl gewidmet. 
3a, als wenn es an diesen Mißgriffen noch nicht genug gewesen wäre, so 
waren z. B. der Kommandant von Magdeburg, Gberst Du Trossel, und 
der von Küstrin, Gberst Ingersleben, eben beides Männer, die, so un- 
glaublich wie es ist, doch schon einmal aus Mangel an Mut verabschiedet 
gewesen waren und nur hinterher durch Konnexionen sich wiederum so 
wichtige Anstellungen zu erschleichen gewußt hatten. Statt, wie es späterhin, 
aber zu spät geschah, die Kommandanten zu einer ernsten Verteidigung 
zu verpflichten, hatten sogar einzelne abgebrochene, gutmütige Worte des 
Königs bei seiner Durchreise durch Magdeburg scheinbar das Gegenteil 
angedeutet, und so war jeder Gedanke an eine heldenmütige Gegenwehr 
durch die Empfindungen großer Bestürzung überwältigt worden, und um 
das Maß der Schwäche ganz zu erfüllen, hatten noch die höheren Iivil- 
beamten in verschiedenen Festungen, jn Magdeburg der Kammerpräsident 
v. Büloro, nachheriger Finanzminister, und in Küstrin der Präsident 
v. Schierstädt, ihre amtliche Stellung und den dadurch gewonnenen Ein- 
fluß auf die Militärbehörden entschieden mißbraucht, um eine feige Über¬ 
gabe zu beschleunigen. 
So fielen ohne alle Belagerung, oft nur von einem Trompeter auf- 
gefordert, in schmachvoller Reihe Hameln, in dessen Mauern sich außerdem 
noch ein Korps von 6000 Mann guter Truppen unter dem General £e doeq 
befand, (Erfurt mit der Division des Prinzen von Gramen, Magdeburg 
mit einer zahlreichen Besatzung und ebenso ansehnlicher Generalität, unter 
der der Graf Wartensleben höchst nachteilig den altersschwachen Gouverneur 
von Kleist fortdauernd zur schnellen Übergabe bearbeitete, Spandau, Stettin, 
welches nur von einer Seite auf dem linken Dderufer von den Franzosen 
berennt war, und Küstrin, welches alle andern womöglich noch dadurch 
überbot, daß der Kommandant Gberst von Ingersleben sich über die Gder 
setzen ließ und dem Feinde entgegenging, um die Kapitulation ja schnell 
abzuschließen. Seine Gattin, als sie dies unselige vorhaben erfuhr, warf 
sich ihm am Strande, ehe er in den Kahn stieg, zu Füßen, um ihn von 
diesem schändlichen Schritte zurückzuhalten, aber der schon erwähnte Kammer-
	        
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