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niedere Volk gedrungen. In einem Wirtshaus vor Jena wurde einige
Tage vor der Schlacht folgendes Lied gesungen: „Fürs Vaterland zu sterben
wünscht mancher sich. Zehntausend Taler erben, das wünsch' ich mich.
Das Vaterland ist undankbar, und dafür sterben? G, du Narr!" . . .
Sieben Jahre später sang dasselbe Volk: „Der Gott, der Eisen wachsen
ließ, der wollte keine Unechte ..." (Es hatte unter dem Drucke der Schmach-
und Elendsjahre eine andere Kuffassung von dem Werte der idealen Güter
erhalten und wußte nun, was das Vaterland bedeutet.
5, Die Festungsgouverneure.
Botjen, (Erinnerungen. Bö. I. — Die Hamen sind vervollständigt.
Zu Gouverneuren und Kommandanten hatte man nur alte, durchaus
abgelebte Greise gewählt und ihnen ebenso invalide Artillerieoffiziere ge-
geben, den Ingenieurs vom Platz auch keine besondere Auswahl gewidmet.
3a, als wenn es an diesen Mißgriffen noch nicht genug gewesen wäre, so
waren z. B. der Kommandant von Magdeburg, Gberst Du Trossel, und
der von Küstrin, Gberst Ingersleben, eben beides Männer, die, so un-
glaublich wie es ist, doch schon einmal aus Mangel an Mut verabschiedet
gewesen waren und nur hinterher durch Konnexionen sich wiederum so
wichtige Anstellungen zu erschleichen gewußt hatten. Statt, wie es späterhin,
aber zu spät geschah, die Kommandanten zu einer ernsten Verteidigung
zu verpflichten, hatten sogar einzelne abgebrochene, gutmütige Worte des
Königs bei seiner Durchreise durch Magdeburg scheinbar das Gegenteil
angedeutet, und so war jeder Gedanke an eine heldenmütige Gegenwehr
durch die Empfindungen großer Bestürzung überwältigt worden, und um
das Maß der Schwäche ganz zu erfüllen, hatten noch die höheren Iivil-
beamten in verschiedenen Festungen, jn Magdeburg der Kammerpräsident
v. Büloro, nachheriger Finanzminister, und in Küstrin der Präsident
v. Schierstädt, ihre amtliche Stellung und den dadurch gewonnenen Ein-
fluß auf die Militärbehörden entschieden mißbraucht, um eine feige Über¬
gabe zu beschleunigen.
So fielen ohne alle Belagerung, oft nur von einem Trompeter auf-
gefordert, in schmachvoller Reihe Hameln, in dessen Mauern sich außerdem
noch ein Korps von 6000 Mann guter Truppen unter dem General £e doeq
befand, (Erfurt mit der Division des Prinzen von Gramen, Magdeburg
mit einer zahlreichen Besatzung und ebenso ansehnlicher Generalität, unter
der der Graf Wartensleben höchst nachteilig den altersschwachen Gouverneur
von Kleist fortdauernd zur schnellen Übergabe bearbeitete, Spandau, Stettin,
welches nur von einer Seite auf dem linken Dderufer von den Franzosen
berennt war, und Küstrin, welches alle andern womöglich noch dadurch
überbot, daß der Kommandant Gberst von Ingersleben sich über die Gder
setzen ließ und dem Feinde entgegenging, um die Kapitulation ja schnell
abzuschließen. Seine Gattin, als sie dies unselige vorhaben erfuhr, warf
sich ihm am Strande, ehe er in den Kahn stieg, zu Füßen, um ihn von
diesem schändlichen Schritte zurückzuhalten, aber der schon erwähnte Kammer-