§ 99. Die Wiedergeburt der Dichtung.
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Rechtswissenschaft, später Medizin studierte. Die strenge militärische Zucht jener
Anstalt hinderte den Verkehr mit der Außenwelt. Um so eifriger las der
reichbegabte, feurige Jüngling im verborgenen die damals aufkommenden
Schriften der Stürmer und Dränger.
Noch während seiner Studienzeit hatte er als achtzehnjähriger Jüng¬
ling, von bitterem Unmut gegen die beengenden Fesseln und von glühendem
Freiheitsdurste erfüllt, die „Räuber" zu dichten begonnen, eine Tragödie,
deren Held mit Titanenkraft die schlechte Welt zertrümmern und über Blut-
schuld und Verbrechen hinweg einen Staat der Menschlichkeit und Gerech¬
tigkeit begründen will. Das Stück wurde am 13. Januar 1782 zum ersten¬
mal in Mannheim auf der Nationalbühne des bayerisch-pfälzischen Kurfürsten
Karl Theodor mit großem Beifall aufgeführt.
Aber der aufsehenmachende Erfolg der „Räuber" kostete dem Dichter,
der mittlerweile Regimentsmedikus geworden war, Stellung und Heimat. Er
flüchtete 1782 von Stuttgart nach Mannheim. Daselbst erschien im folgenden
Jahre „Die Verschwörung des Fiesko zu Genua, ein republika-
nisches Trauerspiel", im Jahre 1784 folgte „Kabale und Liebe, ein
bürgerliches Trauerspiel", beide noch Erzeugnisse leidenschaftlichen Schmerzes
über die Selbstsucht und Verdorbenheit der Welt, namentlich der höheren Stände.
Von Mannheim aus, wo er auf kurze Zeit als Theaterdichter angestellt
war und bald wieder mit mißlichen Verhältnissen zu kämpfen hatte, siedelte
Schiller nach Dresden über. Dort genoß er die Gastfreundschaft der
Familie Körner und vollendete 1787 feine vierte (in Versen geschriebene)
Tragödie „Don Karlos". In ihr bekundet der Dichter zugleich seine
eigenen Fortschritte, wenn er an die Stelle zerstörender Leidenschaft bereits
die umgestaltende Welt- und Menschenliebe zur wirkenden Kraft erhebt (und
durch den Mund des Marquis Posa, eines Malteserritters, verkünden läßt).
Die historischen Studien, die er zu diesem Werke gemacht, faßte er auf den
Rat seiner Freunde 1788 zu einer „Geschichte des Abfalls der Nieder-
lande" zusammen. Das trug ihm auf Goethes Vermittlung die Berufung zum
außerordentlichen Professor der Geschichte an die weimarische Universität Jena
ein (1789), worauf er sich mit Charlotte von Lengefeld aus Rudolstadt vermählte.
Durch literarische und akademische Thätigkeit überanstrengt, verfiel der körperlich
wenig rüstige Mann 1791 in eine längere Krankheit. Wieder genesen, lag er mit
erneutem Eifer philosophischen und geschichtlichen Studien ob. Durch dieselben
vollendete der Dichter an sich selber die geistige Läuterung und jene künstlerische
Reife, welche ihn seit 1797 die glänzenden Werke seines letzten Lebensabschnittes
hervorbringen ließ (Fortsetzung S 146, Abs. 1).
§ 100.
Bliite der Tonkunst.
Neben der nationalen Dichtung wurde im Verlaufe des 18. Jahrhunderts
auch die deutsche Tonkunst durch eine Reihe ausgezeichneter Meister zu
klassischer Vollendung geführt.