132 § 111. Napoleons Zug gegen Rußland 1812.
ein Heer so stark, wie Europa noch keines gesehen. Mehr als eine halbe
Million Streiter rief er aus dem weiten Umkreise seiner Herrschaft zur
„Großen Armee", womit Rußland vernichtet werden sollte. Ende Mai
sammelten sich die Truppen in den sächsischen Gegenden.
Zwar regte sich im Volke gegen die neuen Kriegslasten gesteigerter Unmut.
Ihr Urheber aber freute sich der Genugthuung, in Dresden fast alle deutschen
Fürsten zu seiner und seiner Gemahlin Begrüßung versammelt zu finden. Von
Dresden aus ging es in der Richtung nach Warschau weiter. Zu seinem Schaden
versäumte es Napoleon, hier das polnische Königtum wieder zu errichten, wie es
die dortigen Patrioten erwartet hatten. Am 24. Juni erfolgte bei (Kotono) der
Übergang über den Niemen und der Einmarsch in das russische Polen. Ln Wilno,
der Hauptstadt von Litauen, wurde das französische Hauptquartier eingerichtet.
Von da aus bewegten sich die Heersäulen langsam vorwärts in der Richtung auf
Moskau. x m
Österreich hatte vertragsmäßig 30000 Mann (unter Schwarzenberg). Preuyen
20000 Mann (unter York) und Bayern 30000 Mann (unter Deroy und Wrede)
gestellt. Die Preußen und die Österreicher marschierten der Hauptarmee der
Franzosen zur Seite, jene (im Verein mit einem französischen Armeekorps unter
Macdonald) als Deckung gegen Norden, diese als Deckung gegen Süden. Die
Bayern standen unter dem Oberkommando des Marschalls Saint-Cyr. Die übrigen
Führer der Hauptarmee waren neben Napoleon die Marschälle und Generale
Davoüt, Oudinot, Ney. König Murat, Lefebvre. Vizekönig Eugen. Victor und
der Pole Joseph Poniatowski.
3. per Zug nach Moskau. Die Russen (unter Barclay, ipater
unter Kutusow) wichen anfangs planmäßig vor der Übermacht Napoleons
zurück, den ihnen nachfolgenden Heeresmaffen nur verwüstetes Land
übriglassend. Smolensk (am 17. August) und nochmals ber
Borodinö (7. September) kam es zu beiderseits verlustreichen Kämpfen.
Da Napoleon Sieger geblieben, erreichte er endlich am 14. September
das ersehnte Ziel, das „Heilige Moskau"._Die weite Stadt war
totenstill. Die Bewohner hatten sich mit dem größten Teil ihrer Habe
^veggeflüchtet. Napoleon nahm Quartier im Kreml, dem alten Zaren-
Palast, und sandte von hier seine Friedensbedingungen an Alexander I.
nach Petersburg. .
4. Der Wrand von Moskau. 'Noch in der ersten Nacht — io halte
es der Gouverneur Rostoptschiu vor seinem Weggange angeordnet —
loderten an verschiedenen Stellen der Stadt Feuergarben auf. Die
Löschvorrichtungen waren bedachterweise mit fortgeschleppt worden, und
so verbreitete sich denn von Stunde zu Stunde der Brand unaufhaltsam,
unübersehbar. Als endlich am sechsten Tage einfallender Regen die
Brandstätten zu löschen begann, war nur mehr ein Zehntel der Stadt
übrig geblieben. Auf dem Trümmerhaufen erwartete Napoleon ver-
geblich die Bescheide auf seine Friedensanträge.