§ 90. Deutschland nach dem Siebenjährigen Kriege von 1763—1777.
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Dort umgab er sich, bei ferner Vorliebe für geistreichen Umgang, mit einer aus-
erlesenen Schar von französischen oder französisch gesinnten Gelehrten und Schrift-
stellern; Voltaire, mit dem er zeitlebens in eifrigem Briefverkehr stand, war
1750—1753 feitt Gast gewesen. Aus diesem Kreise gingen auch die französisch
geschriebenen Geschichtswerke und Memoiren hervor, welche Friedrich über seine
Zeit verfaßt und veröffentlicht hat.
e) Abneigung gegen die deutsche Dichtung der ZeU. Seiner
französischen Bildung gemäß hatte Friedrich eine niedrige Meinung von der
deutschen Sprache und Dichtung, bereit damaliger Aufschwung ihm ganz entging.
Weder Lessing und Klopstock, noch auch die Gruppe der „Preußischen Dichter",
welche in ihren Liedern vorzugsweise seine Thaten besangen, fanden feine Be-
nchtung. Höher schätzte er den Fabeldichter Gellert wegen der vermeintlichen
Ähnlichkeit mit La Fontaine und nannte ihn „den vernünftigsten aller deutschen
Gelehrten" (Audienz in Leipzig 1760).
d) Religiöse Gesinnung. In religiösen Dingen huldigte Friedrich dem
Geiste der französischen „Aufklärung", der ihn kirchlich gleichgültig machte, anderer-
seits aber seine gerade denkende Natur in dem Grundsatz der Duldung bestärkte.
„Die Religionen", schrieb er schon 1740, „Müssen alle Tolleriret werden, den hier
mus ein jeder nach Seiner Faßon Selich werden."
5. Iriedrichs fernere politische Wirksamkeit. Während Friedrich
zu Hause „keinen Tag verlor", hatte er gleichzeitig ein wachsames Auge
auf die politischen und diplomatischen Vorgänge außerhalb Preußens. Er
griff daher noch mehrmals entscheidend in den Gang auswärtiger An-
gelegenheiten ein:
a) im Polnischen Krieg, der 1772 zur ersten Teilung Polens führte
(vgl. unten Absatz 6);
b) im Bayerischen Erbfolgekriege 1778/79 (vgl. S. 68, Abs. 3);
c) bei der Wiedererneuerung österreichischer Pläne auf Erwerbung
Bayerns 1785 (vgl. S. 70, Abs. 4).
Über Friedrichs Tod und sein Andenken vgl. S. 73, Abs. 1.
6. Aie erste Leitung Wokens 1772. August III. von Sachsen
hatte den polnischen Königsthron 1733—1763 innegehabt, aber geringes
Ansehen genossen. Die Leitung der Regierung war hauptsächlich dem
Grafen Brühl, seinem ersten Minister, überlassen. Augusts Nachkommen
blieben wieder auf das Kurfürstentum Sachsen beschränkt. In Polen
bewirkte die russische Kaiserin Katharina II., daß die Mehrheit des
zwieträchtigen Reichstages einen ihrer Günstlinge, den einheimischen
Fürsten Stanislaus Pouiatowski, zun; König einsetzte. Um sich
^>er russischen Eingriffe zu erwehren, erhob seit 1768 eine Verbindung
polnischer Edelleute die Waffen zum Kriege gegen Rußland und fand
hiezn die Bundesgenossenschaft der Türken. Aber die Russen blieben
Winter, Lehrbuch der Teutfch. u. Bayer. Geschichte, II. Teil, 2. Aufl. 5