fullscreen: Neuere Zeit vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart (Bd. 2)

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es herausspringen? Jetzt — o seht, wie schnell es laufen kann! — 
Den Mähern folgen fleißige Mägde, die das Getreide aufnehmen, in 
Strohbänder'legen und Garben binden. Der ganze Acker liegt voll 
Garben. Dort aber werden sie in Haufen zusammengestellt, welche der 
Landmann Hocken nennt. 
Auf dem Felde daneben haben die Schnitter ihre Arbeit schon 
beendet, der Erntewagen steht hochbeladen auf dem abgemähten Acker. 
Noch eine Garbe und noch eine Garbe wird hinaufgegeben; jetzt 
ist's genug. Der Knecht läßt die Peitsche knallen, und nun ziehen die 
Pferde das schwere Fuder keuchend auf der lockern Erde hin, bis sie 
auf die feste Straße kommen, wo es leichter geht. Bald schwankt der 
Wagen durch das weite Tor in den Hof und in die geöffnete Scheune. 
Da gibt es Arbeit für den Winter; denn wenn der weiße Schnee die 
Felder deckt, so geht es in den Scheunen „klipp klapp klipp! klipp 
klapp klipp.!" Die Drescher schlagen mit schweren Flegeln die Körner 
aus den Ähren, und ganze Säcke voll Korn und Weizen tvaudern auf 
den Getreideboden und dann nach der Mühle oder auf den Markt. 
Lausch. 
279. Vergissmeinnicht! 
Als der liebe Gott Himmel und Erde erschaffen hatte und alles, 
was auf der Erde ist, da benannte er auch die Pflanzen. Und 
es kamen Blumen von mancherlei Art, die der Herr mit Hamen 
benannte. „Aber,“ fügte er hinzu, „gedenket des Hamens, den 
euch der Herr, euer Gott, gegeben.“ 
Siehe, da kam bald darauf ein Blümlein, angetan mit 
der Farbe des Himmels, bläulich schimmernd und gelb, und 
fragte: „Herr, wie hast du mich genannt? Ich habe meinen 
Hamen vergessen.“ 
Der Herr sprach: „Vergiss mein nicht!“ — Da schämte 
sich das Blümchen und zog sich zurück an den stillen Bach, 
in das dunkle Gebüsch, in die Einsamkeit und trauerte. Wenn 
es aber jemand sieht, dann spricht er: „Vergissmeinnicht!“ 
und pflückt es als Zeichen der Freundschaft und Erinnerung. 
Cosmar. 
280. Sparsamkeit ist nicht Geiz. 
Zwei Einwohner eines abgebrannten Dorfes gingen von Ort zu 
Ort, um milde Gaben einzusammeln. Da kamen sie zu einem großen 
Bauernhof. Der Bauer stand gerade vor der Tür. Er verwies es 
einem Knechte ernstlich, daß er ein Tau über Nacht im Regen gelassen 
habe. Als sie dies von tveitem hörten, sagte einer zum andern: „O 
lveh, dieser Mann ist genau; da wird's nicht viel geben!" Als sie 
näher kamen, wurden sie von dem Bauern ganz liebreich empfangen und 
ins Haus geführt. Sie erzählten ihm nun ihr Unglück. Der Bauer 
ließ ihnen zu essen geben, schenkte ihnen eine schöne Summe Geldes 
und versprach, noch 12 Scheffel Saatkorn in das verunglückte Dorf 
zu schicken. Die Männer verwunderten sich sehr über seine Wohl-
	        
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