Full text: Für die Unterstufe der Lehrerseminare (Band 2, [Schülerband])

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diesem Winterwetter keine warme Stube machen können? Lieber wollte ich acht Tage frieren, 
wie ein Windhund. So wahr mir Gott heute aus der Not geholfen hat, das muß anders 
werden!“ Er machte das Fenster auf: „He, Fritz! — auf der Stelle belade den großen 
Guterwagen mit Buchenholz, was darauf geht; fahre mit vier Pferden nach Leipzig zum 
Professor Gellert, sage, ich lass' ihn freundlich grüßen, und das sei ein Geschenk für das schöne 
lied: „Ich hab' in guten Stunden‘ — und er sollte sich eine warme Stube machen.“ — 
Bravol· riefen alle Anwesenden. Und gegen Abend lag vor Gellerts Hause ein Haufen 
Holz, daß es eine Art hatte. Der Doltor aber nahm einen der Offiziere auf die Seite und 
fragie, wer der hohe Offizier sei, der das Wort geführt, und erhielt zur Antwort: „Das ist 
Prinz Heinrich von Preußen“. — 
Gellert aber, der das Holz sah und hörte, das sei für das Lied, das er erst heute ge⸗ 
macht, schüttelte den Kopf, konnte sich's nicht erklären, wie das zugegangen sei, und wußte 
nichts Besseres zu tun, als mit herzlichem „Gott Lob und Dank!“ zur Ruhe zu gehen. — 
Unterdessen war ein ganzes preußisches Heer in Leipzig eingezogen, und am anderen Tage 
war alles voll Soldaten, und unser kleiner Doktor wußte fast gar nicht durchzukommen. Auf 1s 
der Straße begegnete ihm der alte Neidhardt und sagte: „Herr Doktor, wie geht's dem 
armen Schuster? — „Ja, dem haben Sie die beste Mirtur verschrieben“ rief lachend der 
Doktor. „Aber wissen Sie auch, daß Gellert die dreißig Taler an seinem Munde abgespart 
und dafür jetzt keinen Pfennig hat und keinen Rat weiß und doch noch ein Lied dabei machen 
kann? · — Und der Doktor las dem Neidhardt das Lied vor, und er strich sich eine Träne 20 
aus den Augen, ging nach Hause, packte dreißig Taler zusammen, schrieb auf ein Papier: 
„Für das Lied: Ich hab' in guten Stunden““, gab sie seiner Magd und sprach: „Da, lauf 
hin zum Professor Gellert und gib das Päcklein ab; sage aber beileibe nicht, woher es 
kommt“. 
Gellert saß eben am Schreibpult. Als er das Pãcklein öffnete und las, rief er aus: 25 
„Das ist doch zu bunt! Haben denn die Leute das Lied schon gedruckt in den Händen? Der 
Doltor wird doch nicht . . .“ Während er so grübelte, klopfte man. „Herein!“ und es 
sritt ein preußischer Stabsoffizier herein und meldet, daß Se. Königliche Hoheit, Prinz 
Heinrich von Preußen, der seit gestern in Leipzig sei, anfrage, wann er den Herrn Professor 
besuchen könne. „Mich besuchen ? Mich? Der Prinz von Preußen mich besuchen? Das s0 
muß ein Irrtum sein. Sagen Sie Ihrem Herrn, daß ich es mir zur hohen Ehre anrechnen 
werde, ihm meine Aufwartung zu machen. Bin ich auch krank, so bin ich doch nicht bett⸗ 
lägerig.“ Der Offizier erwiderte: „Allerdings, Herr Professor, wollte Se. Königliche 
Hoheit Sie besuchen; denn er achtet Sie sehr hoch. Wollen Sie aber Sich zu ihm bemühen, 
so freue ich mich, Sie begleiten zu dürfen.“ — Gellert zog schnell sein bestes Kleid an, und 6 
nun ging's zum Prinzen. Der hohe Herr reichte dem Professor sehr freundlich die Hand und 
sagte: „Ich freue mich ungemein, den Dichter des Liedes: „Ich hab' in guten Stunden? u. s. w. 
bor mir zu sehen“. Wieder wußte Gellert nicht, ob's mit rechten Dingen zugehe, daß der 
Prinz ebenfalls von diesem Liede sprach, getraute sich aber nicht, der Sache genauer nach⸗ 
zufragen. „Man hat mir gesagt“, fuhr der Prinz fort, „daß Sie unwohl seien. Sie sitzen 10 
wahrscheinlich zu viel, sehen auch nicht gesund aus.“ — „Mein Beruf macht das Studieren 
und das Sitzen notwendig“, erwiderte Gellert. — „Mag sein; aber Sie müssen Sich und 
dem deutschen Volke Ihr Leben zu erhalten suchen, Sich mehr Bewegung machen. Sollten 
ein Pferd halten und täglich ausreiten.“ — „Wohl wahr, Königliche Hoheit, mein Arzt rät 
mir's auch an; aber nicht jeder hat die Mittel dazu.“ — „Wohl wahr, Herr Professor, be⸗ 8 
sonders wenn man die letzten dreißig Taler auf einmal einer armen x spendet.“ — 
Gellert senkte die Augen und wurde schamrot. Der Prinz sah das, ergriff Gellerts Hand 
und sagte: „Edler Mann, es sei ferne von mir, das tadeln zu wollen, was Ihnen einen 
Gotteslohn bringen muß. Erlauben Sie mir, Ihnen ein Pferd zu verehren, dessen fromme 
Art es zu einem Reitpferde für einen Mann des Friedens geeignet macht.“ Gellert wollte bo 
danken, aber die Worte stockten. Der Prinz selbst war tief bewegt und sagte: „Ein Geschäft 
ruft mich jetzt ab. Leben Sie wohl, teurer Mannl!“ 
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