§ 15. Die Regierung Friedrich Wilhelms I. 55
Vergehen und jede Unterlassung eines Mitglieds, jeder Vorgesetzte für seine Erziehung des
Untergebenen verantwortlich. Die strengste Ordnung und Redlichkeit, die Beamtentums,
peinlichste Sorgfalt und Pünktlichkeit und die Aufbietung aller Kräfte im
Dienst wurde verlangt und durch eine scharfe Überwachung gesichert. Dem
Nachlässigen winkte die „Karre", dem Ungetreuen der Galgen. So erzog
der König ein Staatsbeamtentum sondergleichen. Doch stimmte es noch
-nicht zu dem Charakter des Staatsbeamten, daß keiner Anspruch auf Pension
hatte, daß der König jeden jederzeit „wegjagen" konnte und daß jeder Beamte
für seine Anstellungsurkunde eine möglichst hohe Summe in die Rekruten- Rekrutenkasse,
kasse zahlen mußte, aus der der König die Werbegelder für die „langen
Kerls" zahlte. Infolge dessen gelangten in die mittleren Stellen oft nur Schattenseiten,
die Bestbezahlenden, die dann im Dienst mechanische Werkzeuge wurden. In
die ganz verrotteten Stadtverwaltungen griff der König mit strenger Reform der
Hand ein. Die schweren Mißbrauche, welche Koteriewesen, Schlendrian und berto®tI^gen
Habsucht herbeigeführt hatten, ließ er durch Untersuchungskommissionen auf¬
decken, die Schuldigen bestrafen, die Schuldentilgung regeln, die Oligarchie
der Ratsfamilien beseitigen und übergab die Aussicht über die reorganisierte
Verwaltung dem königlichen Steuerrat.
9. Rechtspflege und Schulwesen. Um die Staatseinheit auf dem
Gebiete des Rechts zu verwirklichen, faßte der König schon 1713 die Her¬
stellung eines Allgemeinen Landrechts ins Auge, regelte durch ein Prozeß- Verbesserung
gesetz 1717 den Rechtsgang in der ganzen Monarchie, trieb, ein Feindber Rechtswege,
alles „Schlenders" und aller „Advokatenstreich", immer wieder zur raschen
Erledigung der Prozesse an und ernannte den großen Rechtsgelehrten und
Organisator Sam. v. Coeceji zum Justizminister. Dieser ließ 1738 das Sam. v.Cocceji
mündliche Verfahren wieder zu. Für das höhere Schulwesen that der Justizminister
König wenig, um so mehr für die noch tief daniederliegende Volksschule. Schulwesen.
Er erließ 1713 das erste preußische Schulgesetz und stellte den Grundsatz
der allgemeinen Schulpflicht auf, an dessen Durchführung freilich ändert- Grundsatz
halb Jahrhunderte gearbeitet haben. Er traf die ersten Maßregeln, durch ^^allgemeinen
deren Verfolg die Schule verstaatlicht und dem Unterricht das Ziel der- 1717.
allgemeinen Bildung statt der bloß kirchlichen zugewiesen wurde. Er gründete
mit geringen Mitteln nicht weniger als 1800 Schulen, begann für sie eine
eigene Dotation zu schaffen und die politische Gemeinde zur Tragung der Mangel eines
Schullasten heranzuziehen. Aber durchweg erteilten den Unterricht Hand- e rer an e"'
Werker, Hirten, Arbeiter und Invalide um des Nebenverdienstes willen. Erstes Lehrer-
A. H. Francke in Halle begann zuerst Lehrer auszubilden, und eine Art semmor.
von Lehrerseminar wurde zuerst 1738 in Stettin eingerichtet.