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9. Von den Nestern der Vögel.
Ein Vogelnest ist eins der täglichen Wunder, die wir we—
nig bemerken, weil sie uns immer vor Augen sind.
Jeder Vogel bereitet einen Platz, der seiner Art gemäß
um die Eier zu verwahren und die kleine Brut 33— zu
fellen.
Verschiedene Arten weichen in der Bauart sehr von ein—
ander ab; jedoch tragen diejenigen, die einer Art gehören,
einerlei Materialien n und wählen einerlei Foͤrm, ei—
nerlei Art und einerlei Lage. Der einjährige, junge Vogel,
der nie ein Nest bauen sah, hat aus Naturtrleb einerlei Plan
und nimmt eben die Materialien dazu, die seine Eltern brauch—
ten. Ein Gleiches thun auch die Vögel derselben Art von
verschiedenen und entfernten Ländern. Die Schwalben Eng—
lands bauen ebenso, wie die Schwalben am Kaukasus.
Die Nester der größern Raubvögel sind roh, von Zweigen
rnenen aber oft mit etwad Weichem gefüttert. Sie
auen gemeiniglich auf hohe Felsen, auf en Thürme
und in einsame Gegenden. Als Feinde der Vögel scheinen sie
Angriffe zu befürchten und suchen daher die Einsamkeit. We—
nige bauen auf dem Voden. Die kleinen Raubvögel bauen
ihre Nester in Gebüsche mit Moos, Wolle u. s. w. Papa—
zeien und alle Vögel mit Kletterfüßen legen ihre Eier in hohle
Bäume, oder in Löcher der Aeste.
Die Krähenarten bauen auf Bäumen. Unter diesen ist
das Nest der Elstern aus rohen Materialien sehr künsllich her—
gerichtet, mit Dörnern bedeckt und hat nur einen Eingang
von einer Seite.
Die Nester der Golddrossel sind wunderbar und rn
an den Spitzen der Äste. In Europa dauen diei Vögel hun—
gende Nester: die gemeine Golddrossel, die kleinste Meife, und
noch ein unbekannter Vogel in Schottland. Aber in den
heißen Ländern, wo die, Vöͤgel wegen der— Schlangen und Af—
fen in Furcht leben, sieht man weil ihnen die Natur
daselbst einen Trieb zur Erhaltung der Jungen eingeflößt hat.
Das Nest des Schneidervogels gehört zu den künstlichsten.
Dieser indische Vogel ist klener, als der Zaunkönig. Er hat
den Namen von der merkwürdigen Art, wie er sein Nest aus
Baumblättern verfertigt, da er einige dürre Blätten an ein