Reformen in Preutzen.
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f) Reformen in Preußen. Die unter Stein den Städten
als wichtiges Recht, zugleich als bedeutsame Pflicht verliehene Selbst-
Verwaltung fand auch in den Landkreisen Eingang durch die R r e i s = Aeis-^
Ordnung (1872); sie kam nur durch einen „Pairsschub" zustande,
d. h. dadurch, daß der König eine Anzahl neuer Mitglieder ins Herren¬
haus berief. In jedem Kreisverbande — Städte mit mindestens 25000
Einwohnern bilden einen eigenen Kreis — tritt neben den Landrat ein
Kreistag, der aus wenigstens 25 Vertretern des Großgrundbesitzes, Kreistag
der Landgemeinden und der Städte besteht, und ein Kreisausschuß.
Dieser wird von dem Kreistage gewählt, hat unter Vorsitz des Land¬
rats die Beschlüsse des Kreistages vorzubereiten und auszuführen und
auch in den — bis dahin von der Regierung entschiedenen — Ver¬
waltungsstreitsachen das Urteil zu fällen. Den beiden Selbstverwal¬
tungsbehörden der Kreise entsprechen gemäß der Provinzialordnung
(1875) der Prooinziallandtag und der Provinzialausschuß. Der
wenigstens alle zwei Jahre zusammentretende Prooinziallandtag
besteht aus den oon den Kreistagen gewählten Vertretern der Land¬
kreise und den städtischen Abgeordneten, beschließt über die rein wirt¬
schaftlichen Angelegenheiten der Prooinz und wählt den oom König
zu bestätigenden Landeshauptmann, der an der Spitze des eben¬
falls vom Prooinziallandtage gewählten, aus 7—13 Mitgliedern be¬
stehenden Prooinzialausschusses steht. Dieser führt die Be- Ausschuß''
schlüsse des Prooinziattandtages aus und wählt 4 Mitglieder in den
Bezirksausschuß, in den der König 2 Mitglieder auf Lebenszeit
beruft. Wie der Bezirksausschuß dem Regierungspräsidenten zur
Seite steht, so ist der aus 7 Mitgliedern, darunter 5 Laien, bestehende
Provinzialrat den Oberpräsidenten zur Seite gestellt; vgl. An-Provmzial-
hang A, VII. Das System der Verwaltungsgerichtsbarkeit wurde auf
den ganzen Staat ausgedehnt durch die Errichtung des Oberver¬
waltungsgerichts in Berlin als höchster Instanz.
Die Generalsynodalordnung (1876) gab der eoangelischen
Kirche eine neue Organisation, durch die sowohl Geistliche wie Laien
Mitglieder der kirchlichen Behörden wurden. — Durch die V e r - nJJJJ1
staatlichung der Eisenbahnen (seit 1879) nahm Preußen sämt-Eisenbahnen
liehe wichtige Durchgangsverbindungen Norddeutschlands in seinen
Betrieb, der zur bedeutendsten Einnahmequelle des Staates wurde;
eine für die Beziehungen zu Süddeutschland wichtige Eisenbahnge-
meinschaft mit Hessen-Darmstadt kam später (1897) zustande. —