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Aus der Geschichte des Mittelalters.
zu sorgen, Recht und Gericht wahrzunehmen hat. Um ihre Geldbedürf¬
nisse zu befriedigen, führten die Städte schon früh neben direkten
Steuern das Ungeld, die Akzise, ein und gingen damit den Fürsten
voraus. Den Glanz und Reichtum unserer alten Städte bringen noch
heute ihre stolzen Bauten, Kirchen, Rathäuser, Zunfthäuser, Brunnen und
Denkmäler zum Ausdruck.
In der Mitte des 14. Jahrhunderts erstarkten die Zünfte und for¬
derten einen Anteil an den Ratsstellen für sich. In der Regel warfen
sie den Patriziern Unterdrückung der Armen und ungerechte Verwaltung
des Stadtsäckels vor. Ganz Deutschland ergriff damals diese Bewegung,
die in verschiedener Weise durchgekämpft wurde — hier gelaug eine
Einigung ohne Blutvergießen, dort wurden in den Straßen schwere
Schlachten ausgesochten, und der Sieger nahm grausame Rache an dem
Besiegten —, aber auch sehr verschiedene Ergebnisse hatte: bald wurden
die Geschlechter ganz verdrängt, bald behaupteten sie sich, am häufigsten
aber wurde den Zünften irgendein Anteil an der Verwaltung der Stadt
eingeräumt. Doch ist eine gerechtere Verteilung der Lasten nur selten
eingetreten, auch da nicht, wo die Zünfte den vollen Sieg erfochten; in
der Regelung der Verhältnisse zu den Nachbarn dagegen zeigten sie sich
kurzsichtiger als die Geschlechter und trugen durch ihre Bekämpfung des
sich auf große Geldmittel stützenden Großhandels dazu bei, daß der
deutsche Kaufmann die Märkte, die er lange beherrscht hatte, schließlich .
an das Ausland verlor.
§ 72. Die Ritter. Hatten schon die Ungarneinfälle die Veran¬
lassung zur Bildung größerer deutscher Reiterheere gegeben, so war es
doch den Rittern (ursprünglich = Reiter, ritaere, riter) erst um 1200
gelungen, nebelt dem Adel als besonderer Stand (ordo equester) aufzu¬
treten. Die Kreuzzüge gaben den Rittern Ideale (Gottes-, Herren- und
Frauendienst), legten aber den Grund zur Nachahmung französischer
Formen und Formeln, wie sie sich zunächst in der Champagne entwickelt
hatten (Standeserziehung auf drei Stufen, Ritterschlag, Turniere, Ritter¬
burgen, Wappen, Ritterbürtigkeit). Nach den Kreuzzügen trat hinter
Fürsten und Städten das Rittertum an Bedeutung zurück. Zwischen
die aufstrebende Macht beider hineingestellt, sah es sich bald ganz in die
Verteidigung gedrängt und genötigt, Bündnisse zu schließen, um sich
nur zu behaupten.
Auf dem Gebiete der Kriegführung wurde es durch das auf¬
kommende Söldnertnm in den Hintergrund gedrängt. 1315 erleidet ein
Ritterheer durch ein Bauernheer am Moorgarten eine Niederlage, 1322
ist die letzte große Ritterschlacht, die bei Mühldorf, geschlagen, 1346
hört man aus dem Felde bei Crech schon den Donner der Kanonen.
Auch die Zeiten des ritterlichen Sängers und des Minnesangs -
sind vorüber. In der Stadt übt der Zunftmeister die Kunst des Meister-