118 Die wichtigsten Begebenheiten der Neuzeit, insbes. der Preußisch-deutschen Geschichte.
sondern die europäische Lage ausnutzen mußte. Lange schwankte man,
ob es für oder gegen Rußland, das zwischen Lockungen und Drohungen
abwechselte, das Schwert ziehen sollte. Die Verletzung der preußischen
Grenze in Ansbach führte zur Mobilmachung, das Erscheinen Alexanders
in Potsdam zum Anschluß an die Koalition.
Bevor der König an den Feindseligkeiten offen teilnahm, sandte ei¬
sernen Kabinettsminister, den Grafen Hang Witz, an Napoleon, um ihm
feine letzten Bedingungen, welche den Besitzstand des Lüneviller Friedens
verlangten, zu überbringen. Der Kaiser hielt den Gesandten bis zu der
Schlacht bei Austerlitz hin. Sobald die Machtverhältnisse durch ste klar-
gestellt worden waren, legte er ihm in Schönbrunn den Entwurf eine»
Schutz- und Trutzbündnisses zwischen Frankreich und Preußen vor.
Preußen sollte Hannover erhalten und dafür auf Ansbach zugunsten
Bayerns und auf das rechtsrheinische Kleve und Neuchatel zugunsten
Frankreichs verzichten. Beide Mächte sollten gemeinsam für die Erhaltung
ihrer Gebiete samt allen Vergrößerungen gegen jedermann eintreten. Mit
diesem Entwürfe erklärte fich Hangwitz eigenmächtig einverstanden und
überbrachte ihn nach Berlin. Das Kabinett glaubte, daß es noch Ande-
ruugeu vornehmen könne, und schickte ihn in abgeänderter Fassung an den
Kaiser zurück. Man fühlte fich so sicher, daß die Armee auf Friedensfuß
gefetzt wurde. Aber Napoleon wies jeden Änderungsvorschlag zuruck und
nötigte Preußen im Pariser Vertrage, überdies die Elbe und Weser
für englische Waren zu sperren. So hatte Preußen zwar den Frieden
mit Frankreich erhalten, aber um den Preis einer starken Demütigung
und des Verlustes seiner politischen Selbständigkeit und Freiheit, es
stand zu erwarten, daß England seinen Seehandel vernichtete und offen
den Krieg erklärte, sobald die preußischen Truppen Hannover betraten.
Auch Versuche Preußens, einen norddeutschen Bund zu stiften, durchkreuzte
Napoleon.
& 70. Ter Krieg im Jahre 1806. Als Friedrich Wilhelm III im
Sommer des Jahres 1806 die Nachricht erhielt, daß Napoleon mit Eng-
land über den Frieden unterhandle und ihm Hannover angeboten habe,
kam er zu ber Überzeugung, daß der Kaiser entschlossen sei, Preußen zu
stürzen, und setzte, um uicht überfallen zu werden, fem Heer aus Kriegsfuß.
Er stellte in Paris ein Ultimatum, auf das er bis zum 10. Oktober
Antwort erwartete. Es war für Preußen die denkbar ungünstigste Zeit,
denn Österreich war noch erschöpft, Rußland in einen Krieg mit der
Pforte verwickelt, England wegen Hannovers Preußen feindlich gesinnt.
Außer Sachsen und Braunschweig hatte Preußen keine Bundesgenossen
Inzwischen wurde das preußische Heer unter dem Befehle des Herzogs
Ferdinand von Braunschweig gegen den Thurmger Wald üorge-
. schoben. Es war in drei Armeen eingeteilt, die unter der Fuhrung des
Herzogs, des Fürsten Hohenlohe-Jngelfingen und des Generals
von Nüchel standen. In den ersten Tagen des Oktobers nahm das Heer