Full text: Die wichtigsten Begebenheiten der Neuzeit, insbesondere der preußisch-deutschen Geschichte seit 1648 (Teil 6)

Die Reformen in Preußen. 
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Diensten und Abgaben verpflichtet. Ohne Erlaubnis durften sie nicht 
verziehen sErbuntertäuigkeit). Die Rittergutsbesitzer waren Adlige. Wenn 
ausnahmsweise ein Nichtadliger nach dem Edikt von 1775 ein Rittergut 
erwarb, erhielt er doch nicht dieselben Rechte. Nun lautete § 1 des neuen 
Edikts: „Jeder Preuße ohne Unterschied der Geburt und des Standes kann 
jeden Grundbesitz an sich bringen"; und weiter: „Vom Martinitage 
1810 sollen im Preußischen Staate nur freie Menschen sein". Das 
Edikt war von höchster wirtschaftlicher und politischer Bedeutung, denn 
nicht bloß der Besitz wurde freigegeben, es wurde auch der Kastengeist 
mit Aufhebung der ständischen Gliederung des Staates beseitigt. Jedem 
wurde nun die Wahl des Gewerbes freigestellt. Es durste also der Edel- 
manu ohne Nachteil feines Standes bürgerliche Gewerbe treiben, jeder 
Bürger oder Bauer war berechtigt, aus feinem Stande in einen anderen 
überzutreten. 
Zur Weckung des Gemeinsinns erhielten im Jahre 1808 die Städte 
durch die satte) Städteordnung die Selbstverwaltung ihrer Gemeinde- 
angelegenheiten durch felbstgewählte Magistrate und Stadtverordnete. 
Steins weiteren Plänen machte Napoleons Haß ein Ende. Als sich 
nn Jahre 1808 die Nachricht verbreitete, daß die sranzösischen Armeen in 
Spamen schwere Niederlagen erlitten hatten, regte sich auch in Deutschland 
der Wunsch nach Befreiung. Der Freiherr vom Stein sprach in einem 
Briefe an Wittgenstein, der im Königreich Westfalen lebte, seine Gedanken 
Pläne und Hoffnungen für eine Befreiung von dem französischen Joche 
unumwunden aus. Dieser Brief fiel in französische Hände und wurde 
im Momteur, der Staatszeitung, in Paris veröffentlicht. Nachdem Stein 
seme Entlassung aus preußischen Diensten genommen hatte, wurde er von 
Napoleon, der sich zur spanischen Armee begeben hatte, geächtet und aus 
den Staaten des Rheinbundes verwiesen. Er flüchtete nach Österreich 
wo er m tiefer Zurückgezogenheit lebte, später nach Rußland. 
b) Die Jahre 1809 und 1810. 
Nach dem Ausscheiden Steins teilten sich in seine Geschäfte vier Mi- 
nister, von denen Alt enstein der bedeutendste war. Auf zwei Gebieten 
besonders wurde in dieser Zwischenzeit im Sinne Steins gebessert: auf 
dem der Verwaltung und dem der Schule. Die obersten Staatsbehörden 
wurden umgestaltet und einheitlicher organisiert. Die viel angefeindete 
Kabinettsregierung wurde beseitigt wie auch die Einrichtung der Provinzial- 
minister. Au deren Stelle trat ein Gesamtministerium, bestehend aus den 
Ministern für das Innere, das Auswärtige, die Finanzen, den Krieg und 
die Justiz. Die Verwaltung der Provinzen wurde Oberpräsidenten über- 
tragen, in straffer Abhängigkeit von oben, an die Stelle der Kriegs- und 
Domänenkammern traten die „Regierungen". 
Das Schulwesen erfuhr unter der Leitung Wilhelms von Humboldt 
trotz aller Geldnot eine durchgreifende Umgestaltung aus allen Stufen. 
Pfeifer, Geschichte. VI. (K) q
	        
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