Die Reformen in Preußen.
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Diensten und Abgaben verpflichtet. Ohne Erlaubnis durften sie nicht
verziehen sErbuntertäuigkeit). Die Rittergutsbesitzer waren Adlige. Wenn
ausnahmsweise ein Nichtadliger nach dem Edikt von 1775 ein Rittergut
erwarb, erhielt er doch nicht dieselben Rechte. Nun lautete § 1 des neuen
Edikts: „Jeder Preuße ohne Unterschied der Geburt und des Standes kann
jeden Grundbesitz an sich bringen"; und weiter: „Vom Martinitage
1810 sollen im Preußischen Staate nur freie Menschen sein". Das
Edikt war von höchster wirtschaftlicher und politischer Bedeutung, denn
nicht bloß der Besitz wurde freigegeben, es wurde auch der Kastengeist
mit Aufhebung der ständischen Gliederung des Staates beseitigt. Jedem
wurde nun die Wahl des Gewerbes freigestellt. Es durste also der Edel-
manu ohne Nachteil feines Standes bürgerliche Gewerbe treiben, jeder
Bürger oder Bauer war berechtigt, aus feinem Stande in einen anderen
überzutreten.
Zur Weckung des Gemeinsinns erhielten im Jahre 1808 die Städte
durch die satte) Städteordnung die Selbstverwaltung ihrer Gemeinde-
angelegenheiten durch felbstgewählte Magistrate und Stadtverordnete.
Steins weiteren Plänen machte Napoleons Haß ein Ende. Als sich
nn Jahre 1808 die Nachricht verbreitete, daß die sranzösischen Armeen in
Spamen schwere Niederlagen erlitten hatten, regte sich auch in Deutschland
der Wunsch nach Befreiung. Der Freiherr vom Stein sprach in einem
Briefe an Wittgenstein, der im Königreich Westfalen lebte, seine Gedanken
Pläne und Hoffnungen für eine Befreiung von dem französischen Joche
unumwunden aus. Dieser Brief fiel in französische Hände und wurde
im Momteur, der Staatszeitung, in Paris veröffentlicht. Nachdem Stein
seme Entlassung aus preußischen Diensten genommen hatte, wurde er von
Napoleon, der sich zur spanischen Armee begeben hatte, geächtet und aus
den Staaten des Rheinbundes verwiesen. Er flüchtete nach Österreich
wo er m tiefer Zurückgezogenheit lebte, später nach Rußland.
b) Die Jahre 1809 und 1810.
Nach dem Ausscheiden Steins teilten sich in seine Geschäfte vier Mi-
nister, von denen Alt enstein der bedeutendste war. Auf zwei Gebieten
besonders wurde in dieser Zwischenzeit im Sinne Steins gebessert: auf
dem der Verwaltung und dem der Schule. Die obersten Staatsbehörden
wurden umgestaltet und einheitlicher organisiert. Die viel angefeindete
Kabinettsregierung wurde beseitigt wie auch die Einrichtung der Provinzial-
minister. Au deren Stelle trat ein Gesamtministerium, bestehend aus den
Ministern für das Innere, das Auswärtige, die Finanzen, den Krieg und
die Justiz. Die Verwaltung der Provinzen wurde Oberpräsidenten über-
tragen, in straffer Abhängigkeit von oben, an die Stelle der Kriegs- und
Domänenkammern traten die „Regierungen".
Das Schulwesen erfuhr unter der Leitung Wilhelms von Humboldt
trotz aller Geldnot eine durchgreifende Umgestaltung aus allen Stufen.
Pfeifer, Geschichte. VI. (K) q