172 Die wichtigsten Begebenheiten der Neuzeit, insbes. der Preußisch-deutschen Geschichte-
Gegen diese Vergewaltigung erhoben sich die Bewohner der Herzog-
tümer; aus Deutschland strömten ihnen Freiwillige zu, der König Friedrich
Wilhelm IV. sandte ihnen Truppen zu Hilfe. Wraugel siegte bei
Schleswig und drang bis nach Jütland vor. Da aber die Blockade
der Ostseehäfen durch die dänische Flotte den preußischen Handel schwer
bedrückte, schloß Preußen mit Dänemark den Waffenstillstand von
Malmö, den die Nationalversammlung zu Frankfurt genehmigte (§ 100).
Im folgenden Jahre setzte die deutsche Zentralgewalt in Frankfurt
einen Statthalter in den Herzogtümern ein. In der Bucht von Eckern-
forde wurde das dänische Linienschiff „Christian VIII." durch die Strand¬
batterien in Brand geschossen und die Fregatte „Gefion" genötigt, die
Flagge zu streichen. Die Fortschritte des schleswig-holsteinischen Heeres,
in das viele preußische Offiziere eingetreten waren, lähmte die Rücksicht
auf englische und russische Drohungen. Die junge, vom Frankfurter
Parlament gegründete Flotte bestand auf der Höhe von Helgoland
ein erstes ruhmreiches Gefecht. Nach dem Frieden zwischen Preußen und
Dänemark (1850) waren die Herzogtümer auf sich allein angewiesen. Sie
führten den Krieg unglücklich (Niederlage bei Jdstedt), wurden aber erst
durch das Einrücken eines Bundesexekutionsheeres gezwungen, die Feind-
seligkeiten einzustellen.
Das Londoner Protokoll (1852), von den europäischen Groß-
mächten unterzeichnet, erklärte die Unversehrtheit der dänischen Gesamt-
Monarchie für ein europäisches Interesse und sprach die Nachfolge in
allen ihren Teilen dem Prinzen Christian von Glücksburg zu*). Der
Herzog Christian August von Augustenburg gab seine Ansprüche gegen
eine Geldentschädigung auf.
Diese Lösung der schleswig-holsteinischen Frage mußte das deutsche
Nationalgefühl aufs tiefste verletzen: sie bewies, daß an Stelle des
Deutschen Bundes eine andere Verfassung treten mußte, stark genug, die
Ehre der deutschen Nation zu schützen.
4. Das Übergewicht Frankreichs.
Am 2. Dezember 1852 wurde Napoleon zu St. Cloud zum Kaiser
der Franzosen ausgerufen, bald darauf vermählte er sich mit der spani-
schen Gräfin Eugenie von Montijo.
Napoleon förderte das Wohl der Landwirtschaft, er traf eine Reihe
von Maßregeln zugunsten des Arbeiterstandes, suchte ein gutes Einver-
nehmen mit der katholischen Kirche zu erhalten und stützte sich auf ein
tüchtiges Heer von Berufssoldaten. Er gab Frankreich unter den Mächten
Europas eine Stellung, wie es sie seit den Tagen seines Oheims nicht
mehr gehabt hatte.
*) Christian VIII. + 1848 (Charlotte von Hessen)
Friedrich VII. f 1863 Luise, verm. mit Christian IX. 1 1906.