Metadata: Deutsches Lesebuch mit Bildern für Volksschulen

190 
gewöhnlich ein starker Blutstrahl. Das verwundete Tier flieht, nicht von 
dem Boote hinweg, sondern in die Tiefe des Meeres hinab. Es stellt sich 
auf den Kopf, sinkt unter, und mit seinem Schweife hin und her schlagend, 
teilt es das Wasser mit ungeheurer Kraft und fährt mit Blitzesschnelligkeit 
5 nieder. Die auf die Rolle gewickelte Schnur läuft nun schnell ab; nähert 
sie sich ihrem Ende, so wird schnell eine zweite und dann eine dritte u. s. w. 
eingehängt. Endlich aber, wenn man nicht mehr genug Leinen hat, hängt 
man eine starke Rinds- oder Seehundsblase daran und lässt nun den 
Walfisch ziehen. Das letztere ist immer ein unangenehmer Fall, man 
10 wagt dabei das angeschossene Tier. Denn falls dasselbe sich unten in 
seiner unermesslichen Tiefe rechts oder links wendet, kann der Harpunierer 
dies durchaus nicht wissen; er muss es dem guten Glück überlassen, ob 
dasselbe ihm den verwundeten Riesenleib wieder zuführt, ob er die mit 
dem Tiere heraufkommende Blase sieht. War aber die Leine lang genug, 
15 d. h. der Meeresboden nicht zu tief, so folgt das Boot dem Walfisch ohne 
Beschwerde und kann ganz ruhig sein Wiederkommen erwarten. Länger 
als zwanzig Minuten kann er nicht unter Wasser bleiben, ohne Luft zu 
schöpfen. 
Wenn der Harpunierer glücklich geworfen hat, so ruft er: „Getroffen!“ 
20 und nun heisst sein Boot das Festboot, weil es den Walfisch fest hat. Es 
wird auf dem Boote eine rote Flagge (die sogenannte Blutfahne) ausgesteckt, 
welche dem Schiffe, zu dem es gehört, als Zeichen dient. Sogleich stampft 
die Wache des Schiffes wiederholt auf das Verdeck. Wer noch schläft, 
springt, wie er da ist, aus der Hängematte und läuft mit den zusammen- 
25 gebundenen Kleidern in der Hand herbei. Alles drängt sich in die Boote, 
welche schnell nach dem Boote rudern, von welchem der Walfisch har¬ 
puniert worden ist. Haben sie es erreicht, so taucht er auch gewöhnlich 
schon wieder aus seinem geheimnisvollen Reich auf, weil es ihm an Luft 
fehlt. So wie dieses geschieht, wird er von allen Seiten umringt. Man 
30 wirft noch mehrere Harpunen nach ihm, sticht mit langen Lanzen ihm in 
die gefährlichsten Stellen und sucht ihn durch die Leinen der Harpunen 
zu verhindern, noch einmal in die Tiefe zu tauchen. Dies könnten nun 
freilich die dünnen Stricke nicht hindern, aber der Schmerz wehrt es ihm, 
der sich auf das schrecklichste vermehren muss, wenn er beim Untertauchen 
35 an vier, fünf Orten seines Körpers das Fleisch von den Knochen sich los- 
reifsen fühlt. So kämpft er stundenlang gegen die Mückenstiche, welche 
die kleinen unbedeutenden Menschlein ihm beibringen, bis er endlich der 
Zahl derselben erliegt. 
Nicht immer aber ist dieses so gefahrlos, wie es hier beschrieben 
40 wird. Zuweilen kommt der angestochene Walfisch, welcher senkrecht in 
die Tiefe fuhr, eben so senkrecht herauf; und das Schifflein mit den 
Matrosen wird von ihm gehoben und zerbricht auf seinem Rücken. Ein 
andermal schlägt er beim Untertauchen mit seinem Schweif die Schaluppe 
mitten von einander; oder es verunglücken einzelne Matrosen, was sehr 
45 häufig geschieht. 
Wenn ein Walfisch gefangen und getötet ist, so wird er durch die 
Boote ans Schiff gebracht und mit Ketten daran befestigt. Nun steigen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.