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Die germanische Vorzeit.
II. Germanen und Römer bis zur Völkerwanderung.
§ 3. Eingriffe der Germanen auf das Römerreich. Der Abzug
der Kelten aus dem deutschen Mittelgebirge gab den ersten Anlaß zu
einem Vorstoß germanischer Stämme nach Süden, der zu einem
Kampfe mit der römischen Weltherrschaft führte. Als die Bahn frei ge-
Cimbern worden war, drangen die Cimbern, wahrscheinlich ein hermionischer Stamm.
Teutonen, der bisher östlich der Elbe gewohnt hatte, mit Weibern und Kindern und
ihrer ganzen Habe südwärts durch Böhmen und Ungarn in das Ostalpen-
gebiet vor. Ihnen folgten auf dem Fuße die Teutonen, die vielleicht durch
Sturmfluten einen Teil ihres Landes an der Nordsee verloren hatten. Sie
hatten die Absicht, neue Wohnsitze zu suchen. Ihre Bitte um Land und
Saatkorn schlug der römische Konsul ab, lockte sie in einen Hinterhalt,
Noreja 113. wurde aber bei Noreja (Neumarkt in Kärnten) vollständig besiegt. Der
Weg nach Italien stand ihnen offen, aber sie wandten sich nach Westen,
Arausio 105. durchzogen Gallien und schlugen mehrere römische Heere, zuletzt bei Arausio
(Orange). Hier hatten die Römer ein gewaltiges Heer zusammengezogen;
deshalb knüpften die Germanen Unterhandlungen an; unterdessen griffen
die Römer treulos an. darüber wurden die Cimbern und Teutonen so
erbittert, daß sie das ganze römische Heer bis auf den letzten Mann ver-
nichteten. Ein gewaltiger Schrecken durchflog Rom, man zitterte vor dem
Einfall der furchtbaren Krieger in Italien, die Blüte der römischen Jugend
war gefallen, und Rom hatte kein Heer, das es den Germanen entgegen-
stellen konnte. Aber diese dachten nicht an einen Einfall tu Italien; die
Völker trennten sich; die Teutonen durchzogen plündernd Mittel- und
Nordgallien, die Cimbern Südgallien und Spanien. Als diese am Ebro
zurückgeschlagen wurden, vereinigten sie sich wieder in Gallien mit den
Teutonen und verabredeten nun mit ihnen den Einbruch in Italien.
In getrennten Heerhaufen rückten sie vor, die Teutonen über die See-
alpeu, die Cimbern über den Brenner. Inzwischen hatten die Römer
sich erholt und für den bevorstehenden Entscheidungskampf gerüstet. So
unterlagen die tapferen, aber ungeschlachten Haufen der Germanen der
überlegenen Kriegskunst und besseren Bewaffnung der Römer. Marius
Aquae schlug die Teutonen bei Atsuae Sextiae (Aix in der Provence) und
im folgenden Jahre die Cimbern. die schon bis in die Poebene vor-
Vevcellae gedrungen wctreit, auf den Raudifchen Gesilden bei Vercellae. Beide
101, Völker wurden völlig vernichtet; was nicht im Kampfe siel, wurde ge¬
fangen genommen.
Bedeutung Die Cimbern und Teutonen haben den Germanen die Bahn nach
des Zuges, dem Süden gebrochen. Aber nicht der Kampf mit Rom ist ihr Ziel,
sondern sie erbitten immer wieder Land und Saatkorn vertrauensselig von
den treulosen Römern. Ungeschickt in der Ausnutzung der Siege und der