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wollten, das von Italien nur durch eine schmale Meerenge getrennt ist,
erlitten sie durch einen ©türm große Verluste; viele Schiffe gingen unter,
andere wurden weit fortgetrieben und landeten in fremden Ländern.
Während Alarich über dieses Unglück niedergeschlagen nachdachte und
neue Pläne entwarf, erkrankte er und starb eines frühzeitigen Todes.
Die Seinen, die ihn sehr geliebt hatten, betrauerten ihn. Sie
leiteten den Fluß Busento bei der Stadt Cosenza, wo er vom Fuß des
Berges zur Stadt hinströmt, aus seinem Bette. Mitten in dem leeren
Rinnsal ließen sie durch eine Schar Sklaven ein Grab graben und ver¬
senkten darin den Leichnam mit vielen Schätzen. Dann leiteten sie die
Wogen wieder in ihr altes Bett. Und damit von niemanden je der Ort
gefunden würde, töteten sie alle, welche mitgearbeitet hatten. Dann
wählten sie Athaulf (Adolf), einen Verwandten Alarichs, zu ihrem König-
dieser führte die Westgoten nach Frankreich.
Das Schwert des Kriegsgottes.
Bo weit man sehen konnte, war eine grüne Ebene, wo Herden von
Rossen und Rindern im Grase weideten. Einsam ragte ein hoher Brunnen¬
balken empor mit einer Stange, die sich wie zwei lange Arme nach beiden
Seiten ausstreckte. An einem solchen Brunnen hielt abends ein junger
Hirt mit seiner Herde. Mit der Stange, woran am Seil der Eimer
hing, hob er den vollen Eimer vom Brunnen herauf und goß das Wasser
in den Trog, um den sich die Rinder drängten. Da sah er unter der
Herde ein Kalb, das kläglich hinkte; zwischen den Klanen floß Blut
hervor. Als er der Blutspur im Grase nachging, wäre er fast auf eine
scharfe, eiserne Spitze getreten, die aus der Erde hervorragte. Er grub
tiefer in den Boden und fand ein altes, rostiges Schwert. Vor dem
Schlafengehen zeigte er seinen Fund den anderen Hirten. Ein alter, grau¬
bärtiger Roßhirt betrachtete die seltsame Waffe und fand in der langen,
rostigen Klinge Runen eingeritzt, die niemand lesen konnte. Da sprach
er: „Bringe dieses Schwert dem Hunnenkönig Attila! Es ist das
Schwert des Kriegsgottes."
Am andern Morgen trug der Hirt das Schwert zum König Attila,
der in einem Dorfe wohnte, das an Größe einer Stadt gleich schien.
Durch krumme Gassen, au Zäunen und niederen, hölzernen Hütten vorbei
kam er zu den Häusern des Königs, die aus Balken und schön geglätteten
Brettern gezimmert waren; ein Zaun mit Türmen au den Ecken ging
außen herum. Als er den Wachen das Schwert zeigte, ließen sie ihn ein
und geleiteten ihn über einen großen Hof zum Hause des Königs. Im