Politische Ereignisse in der zweiten Hälfte der Regierungszeit Friedrichs d. Gr. 71
Finanzwirtschaft, des Heerwesens, der Schule und Kirche hervor, zum Teil
wohltätige, zum Teil auch nachteilige. Während der Regierung der
weisen, staatsklugen, vorsichtigen Maria Theresia, deren treues Mutterherz
die Liebe aller Untertanen gewann, hielten die Reformen sich in gemesse-
nett Grenzen. Kaiser „Franzl" stand seiner Gemahlin als geschickter
Rechner zur Seite, sein Bruder Karl organisierte das Heer, der Schlesier
Felbiger begann mit der Reform des Volksschulwesens. Die Finanzen
hoben sich durch die allgemeine Besteuerung, das Tabaksmonopol, das
Lotto, wurden aber durch die Kriege schwer geschädigt. Das Merkantil-
system förderte die Industrie. Trotz persönlich frommer Gesinnung ver-
mochte die Kaiserin nicht ganz die gegen die Kirche sich richtenden Maß-
regeln der Minister zu hindern, welche sich von gallikanischen Grundsätzen
leiten ließen. Auch in weiten Kreisen der Geistlichkeit machten sich die
Lehren der Aufklärung d. h. des Zweifels an der kirchlichen Überlieferung
und der Auflehnung gegen die kirchliche Autorität geltend. Das Buch
eines Trierer Weihbischofs Hontheim, unter dem Namen Febronius er-Febroma-
schienen (1763), leistete der Begründung eines förmlichen Staats- m mu"
kirchentums Vorschub. Die von den romanischen Staaten, von Frank-
reich, Spanien, Neapel und namentlich von Portugals Minister Pombal
ausgehende Bekämpfung des Jesuitenordens, den Papst Clemens XIV.Jesuiten-
1773 auf das Drängen der bourbouifchen Höfe aufhob, führte auch dessen °r m"
Verbannung aus Österreich herbei.
Kaum war Maria Theresia aus dem Leben geschieden, da ließ sich
Joseph II. von seinem Drange, seine Untertanen durch Reformen zu be-
glücken, fortreißen zu einem förmlichen Umsturz des Überkommenen, das
gewiß der bessernden Hand bedurfte, sich aber nickt im Nu ohne Willkür
und ohne Rechtsverletzung und Schädigung für Staat, Kirche und Unter-
tanen abschaffen ließ. Ganz erfüllt von den Aufklärungsideen seiner Zeit,
begnügte er sich nicht mit der Verkündigung religiöser Toleranz, von Toleranz
der er übrigens manche Sekten ausschloß, sondern ward aus einem Schirmer 178L
der Gewissensfreiheit zu einem Knechter der katholischen Kirche in seinem
Machtbereiche, weil er willkürlich in deren Einrichtungen eingriff und
sie als Polizeianstalt für den Staat betrachtete. Sein Verfahren, welches
auf Gründung einer dem Staate untergeordneten Nationalkirche hin-
anslief, wird als Josephinismus bezeichnet. Eigenmächtig setzte JosephJoseMnis
die Zahl der Feienage herab, erließ eine Gottesdienstordnung, bestimmte mu '
die Zahl der Kerzen, die brennen durften, die theologischen Lehrbücher,
traf Anordnungen, welche den Verkehr der Bischöfe mit dem Oberhaupte
der Kirche beschränkte und machte dessen kirchliche Erlasse von staatlicher
Genehmigung (Placet oder Placetum regium) abhängig, ja er griff
in die kirchliche Ehegesetzgebung ein und erteilte den Geistlichen Weisungen,
worüber sie predigen sollten. Die Kanzel sollte ein Lehrstuhl der Volks-
Unterweisung nicht nur gegen Vorurteile und Aberglauben, sondern in