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Die Eroberungen dieser Zeit hatten für die Römer sehr nach-
teilige Folgen:
1. Die Zahl der Sklaven nahm so überhand, daß die Freien
sich ganz der Arbeit entwöhnten.
2. Die Weichlichkeit und die Laster des Morgenlandes
wurden eingeschleppt.
3. Die rastlose Tätigkeit, welche Rom groß gemacht, hörte
auf, sobald kein gefährlicher Feind mehr vorhanden war.
Die vornehmen Römer entzogen sich dem Kriegsdienste,
dienten nur etwas über sechs Monate oder als Offiziere.
4. Die altrömische Tugend verschwand, und damit hörte Opfer-
freudigkeit und eiserne Mannszucht im Heere auf.
§ 5V.
Die gracchischen Unruhen.
(Übergang von den Stänbehämpfen zu den Bürgerkriegen.)
Zwei Mittel gab es, um dem römischen Staate einen neuen
Mittelstand zu schaffen:
1. Man konnte die römischen Bürger in der Stadt durch
Verteilung von Acker zu Bauern,
2. die italischen Bauern durch Erteilung des römischen Bürger-
rechts zu Bürgern machen.
Beide Wege haben die Gracchen eingeschlagen, aber sie erlagen
ihren Feinden, den Optimaten.
1,33 Tib. Semprouius Gracchus, ein Enkel des älteren Scipio,
setzt das Gesetz über Ackerverteilung durch.
Die Ausführung dieser notwendigen Reform wird durch seinen
Tod gehindert: Er wird auf dem Forum von einem mit
Knütteln bewaffneten Optimateuhaufeu unter Scipio
Nasica niedergeschlagen.
129 Der jüngere Scipio, welcher auf der Seite der Optimaten
steht, wird in seinem Bette ermordet gefunden.
123 Gajus Sempronins Gracchus, beredter, energischer, leiden-
schaftlicher, geht noch weiter als sein Bruder Tiberius.
Er gewinnt das Volk durch:
1. Erneuerung des Ackergesetzes.
2. Bewilligung regelmäßiger Getreidespenden.
3. Gründung einer Kolonie an der Stelle von Karthago.
(Gajus Führer.)
Den Ritterstand zieht er aus seine Seite durch das Gesetz, daß
die Geschworenen nicht mehr aus den Senatoren, sondern aus
den Rittern genommen werden sollen.
Für das Jahr 122 wird er wieder zum Volkstribunen gewählt.