Full text: Altertum und Mittelalter (Teil 1)

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Der erste große Geschichtschreiber Roms war ein Grieche, der Achäer 
Polybios (f 123), ein Freund des jüngeren Scipio (©. 111). Da aber 
mit der neuen Bildung auch Üppigkeit und Genußsucht einriß, hatte sie 
auch heftige Gegner; der entschiedenste der alte Marcus Porcius Cato 
(234—149), ein „neuer Mensch". Er hat namentlich sein Zensoramt zu 
rücksichtsloser Bekämpfung des ihm verderblich Scheinenden benützt. 
Griechische Philosophen wurden aus sein Betreiben ausgewiesen, Redner- 
schulen geschlossen, der Luxus mit Sklaven, Kleidung, Mahlzeiten, Haus- 
gerät bekämpft, die mit griechischen Gottesdiensten zusammenhängende 
Tatenlosigkeit strenge bestraft. Auch als Schriftsteller hat er den alt- 
römischen Standpunkt vertreten (über Landbau, Ursprungsgeschichte, 
Not- und Hilfsbuch an seinen Sohn). Er ist der erste bedeutendere Prosa- 
schriststeller Roms. Und doch hat auch er die Unentbehrlichst griechischer 
Bildung dadurch widerwillig eingestanden, daß er am Abend seines 
Lebens noch Griechisch lernte. 
3. Sittliche Zustände. Noch die ersten pnnischen Kriege geben 
Zeugnis von den glänzenden Eigenschaften der früheren Zeit. Bald 
aber ändert es sich: die Einfachheit weicht grenzenloser Habsucht, maß- 
loser Prachtliebe und Üppigkeit; die Reinheit des häuslichen Lebens ver- 
schwindet; im Staat zeigt sich eine häßliche Sucht nach Ämtern und 
Würden, ein Buhlen der Vornehmen um die Volksgunst, ein Mißbrauch 
der amtlichen Stellung zur eigenen Bereicherung. Die Mittel, durch 
die man um die Gunst des Volkes sich bewarb, bewiesen ebenso das Un- 
gesunde der sozialen Zustände in der Hauptstadt des Weltreichs als die 
Roheit der Gesinnung, die im Grund diese Bevölkerung beseelte: außer 
den Getreidespenden, die dem wachsenden Proletariat gereicht wurden 
(zu Casars Zeit waren es schon 300 000 Empfänger solcher öffentlichen 
Almosen), verlangte das Volk vor allem Spiele. Es waren in unserer 
Periode weniger Theaterspiele, die erst in der folgenden Zeit mehr 
in Aufnahme kamen und für die im letzten Jahrhundert vor Christus 
mehrere riesige Theater erbaut wurden. Während des ganzen Verlaufs 
der römischen Geschichte lockten die Wettkämpfe rennender Wagen in 
den Zirkus: der circus maximus, der gegen das Ende der Republik 
150 000 Zuschauer, unter Nero 250 000 faßte, erregte vor allem mit 
seinen Wagenrennen das Interesse des Volkes, das für die eine oder 
andere der kämpfenden Parteien (später die Grünen und die Blauen) 
leidenschaftlich Partei ergriff. Vollends durch die Fechter- oder Gla- 
diatorenfpiele und die Tierkämpfe in der Arena des Amphitheaters 
mußte eine entsetzliche Roheit im Volk gepflanzt werden: Hunderte von 
Gladiatoren, teils Kriegsgefangene, teils Sklaven und verurteilte Ver- 
brecher, teils solche, die sich freiwillig anwerben ließen, kämpften teils 
paarweise, teils in größeren Abteilungen, in der Kaiserzeit mitunter ganze 
Heere (unter Trajan einmal 10 000) auf Tod und Leben zur Schau des 
hohen und niederen Pöbels. Mit den Gladiatoren wechselten seit dem 
2. Jahrhundert Tierhetzen, bei denen die von überall herbeigeschafften 
Bestien (Pompejus ließ einmal 500 Löwen und ebensoviel andere wilde 
Tiere aus Afrika herbeischaffen) gegeneinander oder auf unbewaffnete 
und bewaffnete Menschen und auf zum Tod verurteilte Verbrecher ge- 
hetzt wurden, und Seekämpfe in künstlichen und natürlichen Wasser- 
decken (Kaiser Claudius ließ einmal 19 000 miteinander kämpfen). Durch
	        
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