Full text: Altertum und Mittelalter (Teil 1)

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mild und nachsichtig, in all dem vielleicht nur ein kluger „Schauspieler", 
aber von dem dankbaren Volk als „Vater des Vaterlandes" angesehen. 
Wenn Oktavian es als seine Absicht erklärte, die Verfassung des Freistaates 
wieder aufleben zu lassen, so haben die neueren Forscher darin kein täuschen- 
des Spiel mit Worten gesehen, so wenig es auch zu einer wirklichen Re- 
publik mehr kam. Als Prinzipat bezeichnete er selbst und seine Nach- 
folger die neue Staatsform, die zu Anfang des Jahres 27 ins Leben trat. 
Es sollte die Herrschaft des ersten (princeps) der Bürger sein, der doch wie 
die andern dem Gesetz sich unterwarf und die ihm vom Volk übertragene 
Gewalt ausübte, wenn auch die Fülle der Befugnisse ihn hoch über die 
andern Beamten hob. Er legte Ende 28 die Diktatur nieder, er nannte 
sich weder König noch Herr, aber er vereinigte in sich eine Reihe der bis- 
herigen Würden: 1) Als princeps senatus — princeps nannte er sich am 
häufigsten — beherrschte er den Senat, über dessen Zusammensetzung er 
2) als Zensor verfügte. 3) Aus der tribuuizischen Gewalt entwickelte 
sich die Obergewalt in bürgerlichen Angelegenheiten, das Recht, in Rechts- 
fachen in letzter Instanz zu entscheiden und zu begnadigen, gegen alle miß- 
fälligen Beschlüsse einzuschreiten. 4) Als Imperator, welchen Namen 
er wie einen Vornamen führte, hatte er den Oberbefehl über die gesamten 
Streitkräfte des Reiches, die, 25 Legionen stark, in den äußeren Provinzen 
des Reiches standen, in denen der Frieden noch nicht gesichert war. Diese 
„cäsarianischen" Provinzen wie Gallien, Spanien, Syrien u. ct. regierte 
er allein durch seine Legaten. Dieser Oberbefehl über die Legionen war 
die feste Grundlage seiner Macht. Als Herr der Seemacht und der Ge- 
treibe liefernden Provinzen versorgte er die Hauptstadt mit Getreide, 
während er sie zugleich durch die Leibwache der Prätorianer im Zaume 
hielt. Endlich hatte er 5) als Oberpontisex die Aufsicht über den Opfer- 
kult und die Staatsreligion. Dazu kam (27) der Ehrentitel Augustus „der 
Geweihte". In der Verbindung aller dieser Würden und Titel lag die 
höchste Gewalt, für die seitdem die Völker aus seinem Eigennamen Cäsar 
die Benennung Kaiser geschaffen haben. Aber daneben bestanden doch 
die republikanischen Amter, und es wurde insbesondere die gesetzgebende 
Gewalt des Senates nicht beanstandet: eigentlich hatte Augustus weder 
dem Senat noch dem Volk zu gebieten. Sorgfältig achtete er die Rechte 
des Senates, holte seine Ansicht ein, überließ ihm namentlich die Verwaltung 
der Provinzen, in denen keine größeren Truppenmassen standen. Diese 
Provinzen standen wie früher unter den Prokonsuln, die an der Spitze 
der kleinen Streitkräfte ihrer Provinzen standen, wie der Prinzeps an der 
Spitze der seinen. Auch die Heerführer und Statthalter in den cäfaria- 
nischen Provinzen und die Führer der Legionen entnahm Oktavian dem 
Senat, den er in seine alten Rechte wieder einsetzte. Auch in der Finanz- 
Verwaltung war die gleiche Teilung der Macht. Die Einkünfte der 
cäsarianischen Provinzen wurden von dem Prinzeps durch seine Beamten 
verwaltet, während die Einkünfte der andern Provinzen in der Ver¬ 
waltung des Senates blieben. Man hat daher die Verfassung der Uber- 
gangszeit als Dyarchie (Zweiherrschaft, nämlich des Augustus und des 
Senates) bezeichnet. Doch war die Macht des Senats der des Augustus 
nicht zu vergleichen. 
b. Innere Zustände. 1) Das Reich hatte einen bedeutenden Um- 
fang: außer Italien und den Vasallenstaaten die Provinzen Sizilien (241),
	        
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