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ins Kloster weigerte er sich. Die schnöde Mißhandlung des Vaters
erweckte doch Mitleid und Empörung. Auch der jüngere Sohn Lud-
wig nahm sich des Vaters an, nötigte mit Pippin zusammen Lothar,
den Vater frei zu lassen und setzte ihn wieder in die Herrscherwürde
ein. Lothar mußte sich unterwerfen. Leider stürzte Ludwig, nur
noch auf die Ausstattung seines jüngsten Sohnes Karl bedacht, das
Reich immer wieder in Verwirrung. Während Karl ungebührlich
bereichert wurde, wurden unbegreiflicherweise dem Sohne, der
sich am meisten um den Vater verdient gemacht hatte, Ludwig, alle
deutschen Lande außer Bayern abgesprochen. Nach Pippins Tod
(838) wurde das ganze Reich zwischen Lothar und Karl geteilt. Lud-
wig der Deutsche griff zu den Waffen. Der Kaiser zog gegen ihn,
starb aber bald darauf 840 auf einer Rheininsel bei Ingelheim.
2. Vertrag von Berdun (843). Ludwigs Tod brachte keinen
Frieden, da Lothar die Anerkennung seiner kaiserlichen Oberhoheit
forderte, während seine Brüder nach Begründung einer selbständigen
Herrschaft trachteten. Lothar trat in all diesen Kämpfen für die von
Karl dem Großen begründete Einheit des Reichs ein; für ihn waren,
wie schon zur Zeit seines Vaters, die tüchtigsten Männer der Kirche,
denen diese Einheit sehr am Herzen lag; Lothar war aber nicht der
Mann, seine Ansprüche durchzusetzen. Als Lothar Anerkennung
seines Kaisertums forderte, appellierten seine Gegner an das Gottes-
urteil der Schlacht. Diese Schlacht bei Fontenoy-en-Puisaye (30 km
südwestlich von Auxerre) 841 wurde trotz Lothars heldenmütiger
Tapferkeit zu einer entscheidenden Niederlage. Lothar erkannte
aber das Gottesurteil der Schlacht nicht an und setzte den Kampf
entschlossen fort. Er scheute sich nicht, die Sachsen zum Aufstand
gegen die Brüder aufzureizen und sich mit den Normannen zu ver-
bünden. Dem gegenüber verbündeten sich Ludwig und Karl 842
aufs neue miteinander bei Straßburg. Der Eidschwur, den sie dabei
schwuren, ist dadurch besonders merkwürdig, daß er zeigt, wie zwei
Sprachen und Nationalitäten sich entwickelt hatten. Karl der Kahle
und seine Leute schwuren in der germanischen, Ludwig und die Seinen
in der romanischen Sprache. Den vereinigten Heeren war Lothar
nicht gewachsen. Siegreich zogen die Brüder in Aachen ein. Lothar
mußte nachgeben. Der Ehrgeiz der Söhne Ludwigs bewirkte, daß
das Reich Karls des Großen sich auflöste. Im August 843 wurde der
843. Vertrag von Verdun abgeschlossen: 1) Karl bekam den Westen;
2) Ludwig das Land östlich vom Rhein ohne Friesland und links
vom Rhein die weinreichen Gebiete von Mainz, Worms und Speyer;
3) Lothar Italien und ein Mittelgebiet zwischen Rhein, Aar und
Alpen im Osten (dazu Friesland), Cevennen, Saone, Maas und
Schelde im Westen.
3. Bollständige Trennung. Ende der Karolinger, a. Über die
getrennten Reiche kamen schlimme Zeiten. Die letzten Karolinger waren