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Versammlung ließ sich darauf nicht ein. Es war nicht zu bestreiten,
daß der Fluchtversuch des Königs kein Verbrechen mar; und die Mehr¬
heit der Versammlung scheute sich, die Unverletzlichkeit des Königs
anzutasten. Die Verfassung wurde zu Ende beraten; auch die letzten
Versuche, dem König in der neuen Verfassung eine Bedeutung zu
geben, scheiterten; es blieb bei einer Verfassung, deren Undnrchsühr-
barkeit auf der Hand lag. Nach beendigter Beratung der Verfassung
erhielt der König seine Freiheit wieder, es wurde ihm sogar die Frei-
heit eingeräumt, sich in jede beliebige Stadt des Königreichs zu be-
geben, um über seine Stellung zu der Verfassung durchaus frei sich
zu entschließen. Er blieb aber in Paris, entschloß sich zur Annahme
der Verfassung und leistete den Eid ans sie. Am 29. Sept. 1791
schloß die konstituierende Nationalversammlung ihre Beratungen.
Aber die Revolution endigte nicht, sie begann aufs neue.
2. Die gesetzgebende Versammlung, 1. Oktober 1791—1792. 1791—1792.
a. Charakter und Zusammensetzung. Die erste Versamm-
lung hatte den verhängnisvollen Beschluß gefaßt, daß keins ihrer
Mitglieder in die neue Versammlung sollte gewählt werden dürfen.
So bestand die „gesetzgebende Versammlung" — sie hieß so, weil sie
die zur Ausführung der Verfassung nötigen Gesetze erlassen sollte —
aus neuen Männern, neun für jedes Departement, tatsächlich 745.
Die neue Versammlung zeigte eine Verschiebung nach links. Die
entschiedenen Royalisten waren verschwunden. Die Rechte bestand
aus Anhängern der konstitutionellen Monarchie. Aber energischer
als sie und als die Mitte war die Linke. In ihr traten hervor eine
Anzahl glänzend begabter, jugendlicher, für eine Republik in der
Weife des Altertums schwärmender Abgeordneten, meist aus dem
Departement Gironde, daher die ganze von ihnen geleitete Partei
später den Namen Girondisten erhielt, die hervorragendsten Brissot,
nach dem man damals die Partei benannte (les Jacobins Brissotins),
und der beredte Vergniaud. Neben ihnen, den Männern feiner Bil-
dung, traten die radikalen Männer des Berges noch nicht in den
Vordergrund. Es war auch noch nicht nötig, da die feinen Girondisten
zunächst die Geschäfte der fortgeschrittensten Demagogie besorgten.
Sie wollten die Republik, aber eine Republik, bei der das gebildete
und besitzende Bürgertum den Ton angeben sollte. Neben der Ver¬
sammlung erlangten die Klubs immer mehr Einfluß, vor allem die
Jakobiner, bei denen der mißtrauische, neidische, feige, mit seiner
Tugendhaftigkeit und Unbestechlichkeit prunkende Robespierre
das große Wort führte, und die Cordeliers, wo Danton, Camille
Desmoulins redeten. Hier rüsteten sich die Geister, welche zu ihrer
Zeit die Männer der Gironde zu beerben gedachten.
b. Die Gironde und der Krieg. Die Versammlung be¬
gegnete dem König von Anfang an mit wenig Achtung. Bald wurden