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2. Und einer von den kleinsten Jungen
Der hat am lautsten mitgesungen:
Die bunte Mütze auf dem Ohr,
Die Höslein flott im Stiefelrohr,
Marschiert er wacker mit im Chor;
Beteiligt sich den Morgen lang
An jedem Schrei und jedem Sang;
So wichtig nahm's der kleine Wicht,
Als ging's ohn' ihn entschieden nicht,
War so mit Leib und Seel' dabei.
Als ob er selbst die Rheinwacht sei,
Hat drum den Glockenschlag vergessen
Und kam zu spät zum Mittagessen.
3. Mit heißen Wangen, rotem Kopf,
Mit off'ner Brust, verwehtem Schopf,
Erscheint er endlich siegesmatt, —
Die andern waren halb schon satt —
Grüßt obenhin, setzt sich zu Tisch
Und greift nach seinem Löffel frisch.
Jedoch der biedre Vater spricht:
„Fritz, ungebetet ißt man nicht!"
Worauf mein Fritz vom Stuhl ersteht,
Die Hände faltet zum Gebet,
Und weil sein Kopf noch stark zer¬
streut,
Gibt's, wie der Geist ihm just gebeut,
Spricht:
„Lieber Gott, magst ruhig sein.
Fest steht und treu die Wacht am
Rhein.
Amen!"
97. Ein Eisernes Kreuz.
Von Georg von D y h e r r n.
1. Der Feldherr tritt in das Laza¬
rett,
Sein Aug' blickt mild und doch trübe;
Für jeden Helden im Krankenbett
Hat er ein Wort der Liebe.
2.llnd jeder,zu dem er tröstend spricht,
Hat stolz es im Herzen empfunden;
Wie rötet sich freudig manch bleiches
Gesicht!
Vergessen sind Fieber und Wunden.
3. „Wo ist der Brave?" so fragt er
jetzt,
„Der Held, der mit kühnem Wagen
Sein Leben bei Weißenburg eingesetzt
Und die Fahne vorangetragen?"
4. An jenem Lager steht er still
Bei einem Todeskranken.
Was wohl seine einsame Träne will?
Sie will einem Sterbenden danken.
5. Das Eiserne Kreuz er leise legt
Dem bleichen Mann in die Hände.
„Des Königs Dank," so spricht er be¬
wegt,
„Nimm noch vor deinem Ende!"
6. Da richtet der Kranke sich auf,
es ruht
Sein Aug' auf dem Königssohne
Mit des fliehenden Lebens letzter
Glut,
Und er flüstert mit bebendem Tone:
7. „Meine Pflicht nur tat ich in jener Stund';
Nun mag ich sterben in Frieden!"
Er preßt das Eiserne Kreuz an den Mund,
Und lächelnd ist er geschieden.