Object: Für die Mittelstufe der Lehrerseminare (Band 3, [Schülerband])

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Peler Vischer 
„Das ist fürwahr der Zimmermann: 
Wer hat's ihm jemals gleich gethan? 
Durch Schnur und Richtscheit wird ihm kund 
Die höchste Zinn' und der tiefste Grund, 
Ihn loben stattliche Lustgemächer, 
Hoch strebt sein Ruhm, sowie seine Dächer. 
Reich an Erfindungen ist sein Geist, 
Mühlwerk und Wasserbau ihn preist. 
Er schützt durch Bollwerk dich und Schanz'. 
Die heil'ge Schrift weiht ihm den Kranz; 
Er zimmerte die starke Arch', 
Michael 
„Das Holz verfault, der Stein bleibt 
Der Steinmetz muß drum der erste sein. 
Ringmauern baut er, kühne Türme, 
Basteien auch zu Schutz und Schirme, 
Gewölbe pflanzt er, die sich kühn 
Aufrankend in die Lüfte ziehn, 
Schwindlige Gänge, durchsichtig und fest, 
Mit Säulen und Bildwerk geschmücket aufs best'. 
„Vermag auch Beil und Meißel viel, 
Schwach sind sie gegen den Pinselkliel. 
Er bringt nicht nur Häuser und Städte hervor, 
Türmt Schlösser und schwindlige Warten empor — 
Nein, was im Anfange Gott erschuf 
Durch seines göttlichen Wortes Ruf, 
Das schafft der Maler zu aller Zeit: 
Gras Laubwerk, Blumen auf Feld und Heid', 
Den Vogel, wie in der Luft er schwebt, 
Des Menschen Antlitz, als ob er lebt, 
Die Elemente beherrscht er all', 
Des Feuers Wuth und des Meeres Schwall, 
Den Teufel malt er, die Höll und den Tod, 
Das Paradies, die Engel und Gott. 
VHans 
Michael 
„Du lobst den Maler mir zu hoch, 
Nützlicher bleibt der Steinmetz doch. 
Des Malers können wir entrathen, 
Er schafft von jedem Ding nur den Schatten. 
Sein gemaltes Feuer wärmt uns nicht. 
Hans 
„Das Sprichwort immerdar noch gilt, 
Daß, wer die Kunst nicht hat, sie schilt, 
Wie nützlich auch ist die Malerei, 
So nenn' ich euch jetzt nur der Dinge drei. 
Was uns die Geschicht' als theures Vermächtnis 
Bewahrte, das prägt sie uns ins Gedächtnis: 
Wie der erner Heer unter Schweppermann 
ocht, 
Den Kranz Kaiser. Friedrich dem Dichter flocht. 
Denn wer auch nicht auf die Schrift ver— 
eht, 
Des Malers Schrift ihm nicht entgeht. 
Sie lehrt, wie Bosheit uns Misgeschick, 
Wie Frömmigkeit bringt Ehr' und Glück. 
Zum andern verscheucht die Malerei 
Das schwarze Gespenst der Melancholei: 
Durch bunte Farben verweht sie die Nacht, 
Sie jauchzet in Klarheit, sie schwelget in Pracht. 
Drin Noah war, der Patriarch. 
Wie rings auch brausete die Flut, 
Er ruht' in ihr in sichrer Hut, 
Gerettet mit all den Seinen er ward, 
Mit allen Thieren aller Art. » 
Er zimmerte nach weisem Rath 
Jerusalem, die Gottesstadt; 
Des weisen Salomo Königshaus, 
Das führt' er gar mächtig und prächtig aus 
Denkt an das Labyrinth zum Schluß: 
Wer ist geschickt wie Dädalus?“ 
Vehaim: 
Den schiefen Turm von Pisa schaut, 
Den Wilhelm von Nürnberg hat aufgebaut; 
Zu Jerusalem der hohe Tempel, 
Der trug der höchsten Vollendung Stempel. 
Der himmelhohe Turm zu Babel, 
Das Grab des Mausolus ist keine Fabel; 
Die Pyramiden, die künstlichen Berg', 
Sie überragen weit alle Werk'.“ 
Sachs; 
Das macht er durch Farben, dunkel und klar, 
Mit geheimen Künsten euch offenbar. 
Das hebt sich mächtig durch die Schattierung, 
Nach einer schön entworfenen Visierung. 
Er kann euch alles vor Augen stellen, 
Nicht deutlicher könnt ihr es je erzählen. 
Drauf brütet er sinnig Tag und Nacht, 
In Traumgebilden sein Geist stets wacht. 
Er ist an Phantasien reich 
Und fast dem kühnen Dichter gleich; 
Um alle Dinge weiß er wohl, 
Weil er sie alle bilden soll. 
Wer zu allen Dingen hat Schöpferkraft, 
Den rühmt die bhöchste Meisterschaft.“ 
VBehaim: 
Seine Sonne spendet nicht Schein und Licht, 
Sein Obst hat weder Schmack, noch Saft, 
Seine Kräuter nicht Duft und Heilungskraft, 
Seine Thiere haben nicht Fleisch und Blut, 
Sein Wein verleiht nicht Freud' und Muth.“ 
Sachs: 
Das Ohr erfreut sich nur flüchtigen Spiels, 
Nur kurz ist die Labe des Wonnegefühls, 
Doch das Auge haftet an dem, was gefällt, 
Und der Pinsel erschafft ihm die schönste Welt. 
Zum dritten: jegliche Kunst erkennt 
In des Malers Kunst ihr Fundament. 
Der Steinmetz, Goldschmied und der Schreiner, 
Formschneider, Weber, der Werkmeister keiner 
Entbehrt sie je, warum auch die Alten 
Sie für die herrlichste Kunst gehalten. 
Wie strahlt der Griechen Namen hell: 
Zeuxis, Protogenes Apell. 
Gott gab zum Heil dem deutschen Land 
Der Künstler manchen mit hohem Verstand; 
Doch Albrecht Dürer vor allen glänzt, 
Der mit echten Künsten das Leben kränzt: 
Was er mit Fleiß gesät, erwachs 
Ihm zu reichem Segen, fleht Hans Sachs.“
	        
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