32 12. Die Völkerwanderung.
der Limes durchbrochen, und das Zehntland ging an die Alamannen
verloren. Dle Franken eroberten die römischen Rheinfestnnqen
orangen nach Gallien vor und besetzten nach und nach das Gebiet bis
zu der Maas und der Scheide. In den ersten Jahrhunderten waren
immer einige Völkerschaften auf der Fahrt. Da trat ein Ereignis ein
das noch größere Wanderungen unter den germanischen Völkern vernr-
sachte und zu einer Ueberflntung des Römischen Reiches durch germanische
Scharen führte: im Jahre 375 brachen die Hunnen, ein wildes
mongolisches Rettervolk, von Osten her aus den Steppen Asiens kommend
über die Wolga in Europa ein. Sie gaben den Anlaß zu einer großen
Bewegung unter den Völkern Europas und unter den deutschen Volks-
stammen, zu einem Rücken und Wandern von Wohnsitz zu Wohnsitz
Diese Züge und Bewegungen, die fast 200 Jahre gedauert haben
nennen wir gewöhnlich die Völkerwanderung.
Die Hunnen waren ein wildes, häßliches Neitervolk. Tag und Nacht brachten
sie auf ihren kleinen, aber flinken Pferden zu. Selbst bei Versammlungen und
Beratungen stiegen sie nicht ab. Sie lebten von Wurzeln, wildwachsenden Pflanzen
und von halbrohem Fleische, das sie auf dem Rücken der Pferde mürbe ritten, ^ur
Bereitung ihrer Speisen gebrauchten sie weder Feuer noch Gewürz. Sie wohnten
mcht in Hausern, sondern schweiften rastlos umher. Den Knaben zerschnitten sie
gleich nach der Geburt die Wangen, damit ihnen kein Bart wüchse. Sie trugen
leinene Kleider und Pelze von Mäusefellen. Hunger und Durst, Frost und Hitze
lernten sie von Jugend auf ertragen. Dem Zuge der Männer folgten in Karren,
die mit Fellen uberzogen waren, schmutzige Weiber und noch schmutzigere Kinder,
^n wildem Ungestüm griffen die Hunnen den Feind an, schössen schon von ferne
mit spitzen Knochenpfeilen, erhoben dicht vorm Feinde ein furchtbares Schlachtgeheul
und brauchten das Schwert mit großer Gewandtheit. Mit der linken Hand wußten
sie, dem Feinde geschickt eine Fangleine überzuwerfen und ihn dadurch wehrlos
zu machen. Wohin die Hunnen kamen, verbreiteten sie Schrecken und großen Jammer.
2. Die Wanderungen der Westgoten, a. Die Westgoten auf
der Balkanhalbinsel. Als die Hunnen über die Wolga in
Europa eindrangen, stießen sie zuerst auf die Ostgoten und unter-
warfen sie. Auch die Westgoten vermochten nicht, stand zu halten;
große Scharen von ihnen erschienen an der untern Donau und
baten um Aufnahme in das Römische Reich. Der Kaiser Valens er-
hoffte Unterstützung von ihnen, gewährte die Bitte und versprach den
Einwanderern fürs erste Lebensmittel und danach Ackerland. Da
überschritten sie mit Weiß und Kind die Donau. Die römischen Ve-
amten aber betrogen sie und lieferten ihnen schlechte oder zu teure
oder gar keine Lebensmittel; da trieb die Not die Goten zur Empörung.
Ihr König Fritigern ließ das Kriegshorn blasen und durchzog plündernd
mit seinen Goten das Land. Selbst Kaiser Valens, der mit einem
Heere herbeieilte, vermochte sie nicht aufzuhalten. In der Schlacht bei
Adrianopel (378) wurde er besiegt und getötet, und die Westgoten
streiften plündernd bis unter die Mauern von KonftantmoPel. Valens
Nachfolger, Kaiser Theodosius, ein neuer, kraftvoller Kaiser, schloß
Frieden mit ihnen, wies ihnen Wohnsitze an und machte sie zu Bundes¬
genossen. So lange Theodosius lebte, hielten die Goten Ruhe.
Die Teilung des Römischen Reichs. 395. Theodosius starb 395. Er
hatte bestimmt, daß nach seinem Tode das Reich in eine östliche und westliche
Hälfte geteilt werden sollte. Damit vollendete Theodosius nur, was sich schon