152 Dritter Zeitraum.
und mit keinem Worte gedachte, bedeutete es die endgültige Aus-
schaltung der päpstlichen Ansprüche auf Beeinflussung
der deutschen Königswahl. Dies war nur möglich zu einer Zeit,
wo die Schutzmacht des Papsttums ohnmächtig war, ja sich hilfeflehend
an den deutschen König wandte.
Die Goldene Bulle ist zum Teil eine Sammlung dessen, was seit
1257 Reichsrecht geworden war: Die Königswahl mußte in Frank-
surt a. M. stattfinden, die Mehrheit entschied. Der Streit zwischen Bayern
und Böhmen wegen der Kur wurde zugunsten des letzteren entschieden, wie
überhaupt Böhmen bevorzugt wurde1). Die Kurstimme ist an den
Besitz der Kurlande gebunden, denen deshalb Unteilbarkeit zuge-
sprachen wurde2). Die Kurfürsten erhalten wichtige staatliche Hoheitsrechte,
wie die volle Gerichtsbarkeit über ihre Untertanen (ius de non
evocando) unb nutzbringend Regalien; über bte Erziehung ihrer Söhne
unb das Alter der Mündigkeit werben Bestimmungen getroffen. Im zweiten
Hauptabschnitte hanbelt bas Gesetz vom Fehbewesen unb Sanbfrte-
ben. Den Städten wirb bte Aufnahme von Pfahlbürgern (siehe
S. 127 Annt. 1) aufs neue verboten, ihnen unb allen Einzelpersonen werben
eigenwillige Vereinigungen (also Innungen unb Stäbtebünbe) unter-
sagt. Man kann bas Hauptergebnis ber Golbenen Bulle, bte bis zum
Westfälischen Frieben bas Reichsgrunbgesetz blieb unb in ihren
Grundlagen bis zur A u f l ö f u n g b e s R e i ch s gegolten hat, dahin zusam¬
menfassen, bajj die Reichsv erfasfung von jetzt an eine „Oligarchie" ber
1 Kurfürsten mit königlicher Spitze darstellte,
Karls iv. Siel " In seiner innerdeutschen Politik stand Karl IV. im ganzen auf
Iu"8 ianb.eut^* dem nüchternen, aber durch die Verhältnisse erklärlichen Standpunkte,
nur da einzugreifen, wo es ihm Nutzen versprach, und es sonst mit den
Mächtigen zu halten. Auch suchte er gelegentlich durch Rangerhöhungen
die Fürsten an sich zu fesseln; Mecklenburg, Luxemburg, Jülich
wurden unter ihm Herzogtümer. Den Landfrieden oder das Verbot
der Städtebündnisse durchzuführen, fühlte er sich nicht stark genug
(f. S. 154). Ein schwerer Fehler war es, daß der Kaiser seine wohlge-
fügte Hausmacht durch seine letztwillige Verfügung selbst auseinander-
Karls iv. Erb- riß: M.ß^e l, der noch bei Lebzeiten des Vaters zum König gewählt
ordnung. unk gekrönt wurde, erhielt Böhmen, Sigismund Brandenburg,
Johann Me Lau fitz, seine Neffen erbten Mähren (f. 144 Anm. 1).
Wenzel 137« 2. Deutschland zur Zeit König Wenzels. Hatte die staufische
vis uoo. Kaiserpolitik keinen Raum für eine erfolgreiche Regierung in Deutsch-
land gelassen, so war die Hansmachtspolitik der Könige des vierzehnten
Jahrhunderts ebensowenig geeignet, ihnen eine wirksame Oberherr-
schast zu ermöglichen. Das deutsche Staatsleben entwickelte sich in den
1) Den böhmischen Ständen wird das Recht zugebilligt, im Falle des Aus-
sterbens der Dynastie sich einen König zu wählen.
2) Dasselbe Recht erhielt einige Jahre später die Grafschaft Württemberg.