IV Borwort.
Verfügung ist, in zu großem Widerspruch, wenn man beispielsweise
mehrere Seiten den Einzelheiten der Baustile widmet.
Durch diese Einschränkung auf dem Gebiete der Kulturgeschichte
wurde Raum für vorher vernachlässigte Dinge gewonnen. So ist in
Würdigung der Tatsache, daß der Werdegang des deutschen Volkes nicht
ohne die Entwicklung der europäischen Geschichte dargestellt und ver-
standen werden kann, das Entstehen und die Geschichte der
bedeutendsten Staaten Europas eingehender, wenn auch mit
gebotener Beschränkung, behandelt worden, und zwar nach den im 9. Teile
bereits angewandten Grundsätzen, so daß auch diese suis locis ein¬
gefügten Abschnitte in innerem Zusammenhange stehen und durch die
Zurückverweisungen leicht zu einem Ganzen zusammengefaßt werden
können. Ebenso ist die Territorialgeschichte Deutschlands
mehr als bisher berücksichtigt worden, teils in eigenen Abschnitten (wie
z. B. in § 28), teils in zahlreichen Anmerkungen. Hierbei sollen auch
die bedeutend vermehrten dynastischenStammtafeln gute Dienste
leisten, deren Wert für eine schnelle Orientierung unschätzbar ist, auch
wenn man weit davon entfernt ist, sie bis in jede Einzelheit zum „Aus-
wendiglernen" zu empfehlen.
Daß in der Geschichte des Mittelalters eine große Menge von
Ballast über Bord geworfen werden muß, ist eine allgemein zu-
gestandene Forderung, und ihr ist im vorliegenden Buche sorgfältig
Rechnung getragen worden. Wenn trotzdem sein Umfang sich im Ver-
gleich zur ersten Auflage sogar ein wenig erweitert hat, so liegt dies
abgesehen von den oben erwähnten Änderungen daran, daß es dem
Unterzeichneten darauf ankam, dasjenige, was nach seiner Meinung
aus dem vielgeschmähten Mittelalter als unerläßliches geschicht-
liches Gut dem gegenwärtigen Geschlecht übermittelt werden muß,
in möglichst klarer und scharfer Weife herauszuarbeiten. Dies
Bestreben führte dazu, das Römertum auf germanischem Boden,
den Entwicklungsgang von der altgermanischen Völkerschaft zum
germanifch-romanifchen Staate, die Entstehung der römischen Hier¬
archie, das Verhältnis von Staat und Kirche, kurz alles das, was
die mittelalterliche Staats- und Weltanschauung bildete,
eingehender zu schildern und in dem oft völlig verwirrt erscheinenden
Knäuel von Begebnissen die Fäden bloßzulegen, an denen die Fort-
schritte der europäischen Menschheit, insbesondere des deutschen Volkes
sich aufrankten. „Die Kenntnis der Vergangenheit ist unvollkommen
ohne Bekanntschaft mit der Gegenwart, ein Verständnis der Gegen-
wart gibt es nicht ohne Kenntnis der früheren Zeiten" — dieser Satz
Rankes hat dem Herausgeber auch da als Leitstern vorgeschwebt, wo
der um die Zeit besorgte Lehrer vielleicht die Hand zum Streichen
anlegen möchte. Doch vergesse man nicht, daß der Primaner nicht