Full text: Geschichte der neueren und neuesten Zeit (Abt. 4)

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§ 21. Aufklärung und Fürstenhöfe. 
Dennoch bildet sich unter Einwirkung der Zeitideen eine alt¬ 
backene nüchtern - verständige Weltbetrachtung heraus, die 
dem Namen der ,,Aufklärung“ einen üblen Beiklang bei¬ 
mischt,* und auf dem Gebiete der Religion als ein flacher 
,,Rationalismus“ auftritt. Andererseits bildet sich aus den 
Ideen der Aufklärung bei den vornehmsten Geistern unter 
Einfluss des Studiums der alten Griechen, deren Meisterwerke 
bildender Kunst ein Winckelmann kennen lehrt, das Ideal 
der Humanität heraus. Ein Goethe und Schiller ver¬ 
körpert es in dichterischen Gestalten, ein Herder („Ideen“ 
und ,,Briefe zur Beförderung der Humanität“) begründet es 
dem Wesen nach tiefer. Der Philosophie wird eine ganz 
neue Richtung gegeben durch Imanuel Kant, der in seiner 
,,Kritik der reinen Vernunft“ (1781) die Grenzen mensch¬ 
licher Erkenntnis zieht und in seinem System auch den über¬ 
sinnlichen Ideen eine Stelle zuweist. 
II. Ergebnisse. Aus den vielfach verschlungenen 
und sich kreuzenden Strömungen gehen als fester Miederschlag 
folgende Ideen hervor: 1) Gleichberechtigung aller 
Menschen. 2) Das Recht aller Menschen auf Freiheit 
der Selbstbestimmung und auf Freiheit in Denken 
und Glauben. 3) Die Pflicht der Duldung und 
Nächstenliebe. Sie erscheinen als das geschichtliche Ideal 
in Schillers „Don Carlos“, erweisen sich wirksam in der 
Staatsleitung erleuchteter Fürsten, bilden den Leitstern in dem 
Unabhängigkeitskampf der Nordamerikaner (die Menschen¬ 
rechte) und sind endlich die treibenden Kräfte in der ersten 
Zeit der französischen Revolution. 
III. Friedrich der Grosse und die Auf¬ 
klärung. Einwirkung insbesondere Voltaires. Mittel 
der Durchführung die unbeschränkte Fürstenmacht. Sie 
dient ihm nicht, wie bei Ludwig XIV., für den Glanz des 
Hofes und die Ruhmsucht der Nation, oder wie bei dessen 
Nachahmern als Rechtstitel fürstlicher Willkür, sondern allein 
zum Glücke des Volkes. Friedrichs Grundsatz: Nicht das 
Volk des Fürsten wegen, sondern der Fürst des Volkes 
wegen da. Dem Rechte des Fürsten auf unbeschränkte 
Selbstherrschaft steht dessen Pflicht, sein Volk gut zu 
regieren, gegenüber. Seine Sorge für gleiches Recht aller 
* Der bekannteste Vertreter ist der (auch von Goethe und Schiller in 
den Xenien verspottete) im übrigen achtungswerte Buchhändler Nicolai 
zu Berlin.
	        
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