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Viertes Buch.
Staatsverwaltung die wichtigsten Dienste geleistet. Aber all'
dieses Unglück brach seinen starken Geist nicht; Niemand sah ihn
trauern oder weinen. Da starb auch der letzte seiner Söhne,
Paralos. Zwar wollte er seinem Charakter treu bleiben, stand¬
haft und fest, wie er immer gewesen; aber als er dem geliebten
Todten mit zitternder Hand den Kranz aussetzte, da übermaunte
ihn der Schmerz, daß er laut aufschluchzte und einen Strom
von Thränen vergoß, wie nie in seinem Leben.
Perikles blieb nicht lange in seiner Zurückgezogenheit. Die
neuen Feldherren und Redner, welche an seine Stelle getreten
waren, zeigten bald, daß sie ihrer Aufgabe nicht gewachsen
waren, und das Volk sehnte sich wieder nach seinem alten be¬
währten Führer. Wie die Biene mit dem Stiche den Stachel
läßt, so hatten die Athener nach der Bestrafung des Perikles
ihr Zürnen gegen ihn gelassen; sie fühlten Reue und baten ihn
um Verzeihung, sie erklärten seine Verurtheilung für ungerecht,
stellten seine Ehre vollständig her und übergaben ihm die Ober¬
feldherrenwürde mit erweiterter Machtvollkommenheit. Besonders
der junge Alkibiades, ein naher Verwandter des Perikles, und
die übrigen Freunde bewogen den vereinsamten trauernden Mann,
daß er wieder in die Oeffentlichkeit trat und ohne Groll und
Schadenfreude die Leitung der Geschäfte auf's Neue übernahm.
Sobald ihm die Würde eines Strategen übergeben war, trug er
auf die Abschaffung eines Gesetzes an, das er selbst in frühe¬
ren Zeiten durchgesetzt hatte. Zu einer Zeit, wo eine Masse
fremden Volkes nach Athen strömte und sich in das Bürger¬
recht eindrängte, hatte er das Gesetz veranlaßt, daß die Kinder
aus der Ehe eines attischen Bürgers mit einer nichtattischen
Frau von dem Bürgerrechte ausgeschlossen wurden. Perikles
beantragte jetzt die Aufhebung dieses Gesetzes zum Theil wohl
in der Absicht, daß die Lücken, welche durch die Pest unter der
Bürgerschaft entstanden waren, sich bald wiederausfüllten; aber
er verfolgte dabei zugleich auch ein persönliches Interesse seines