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Der Wiener Kongreß und die Herrschaft der Hundert Tage.
§83.
gewaltige Reiterangriffe schwer erschüttert und gingen zum Teil bereits ver-
loren, als am Nachmittage die Preußen von Wawre her auf dem Schlacht-
felde eintrafen und das Bülowfche Korps nach erbittertem Kampfe das
Dorf Plancenoit eroberte. Napoleons Rückzug, der nach einem letzten,
erfolglosen Angriff seiner Garden auf Wellingtons Stellung notwendig
geworden war, führte zur Vernichtung seines Heeres, da sich die Preußen
auf seine Rückzugsstraße warfen und Gneisenan die Verfolgung des ge-
fchlagenen Feindes die ganze Nacht hindurch bis zum nächsten Morgen
aufs tatkräftigste fortsetzte. Ihm fiel dabei Napoleons Staatswagen mit
dessen Mantel, Hut und Degen und einem Schatz an Gold und Diamanten
in die Hände. Das weitere rasche Vordringen der Sieger vereitelte jede
Sammlung der feindlichen Truppen; schon vierzehn Tage später stand
Blücher vor Paris. Napoleon dankte zugunsten seines Sohnes ab. Flüch-
tend kam er zum Hasen von Rochesort, um sich nach Amerika zu begeben,
ging aber im Vertrauen auf englische Großmut an Bord eines englischen
Kriegsschiffes. Er wurde als Gefangener behandelt und nach der ^nsel
St. Helena gebracht, wo er am 5. Mai 1821 gestorben ist.
Noch der Einnahme vonParis kehrte Ludwig XVIII. auf den französischen
Thron zurück. In dem zweiten Pariser Frieden mußte sich Frankreich
einige kleine Gebietsabtretungen gefallen laffen, darunter die von Saarloms
und Saarbrücken, die an Preußen fielen, und eine Kriegsentschädigung zahlen,
die zum Bau von Festungen an der deutschen Westgrenze verwendet werden
sollte.' Elsaß und Lothringen dagegen wurden trotz der Bemühungen preußischer
Patrioten (Stein) auch jetzt nicht zurückgegeben; nur Landau kam an Bayern.
Mit diesem Frieden schließt die ungeheuer bewegte Zeit, die mit dem
^ahre 1789 begonnen hatte und sowohl die äußere Gestalt als besonders die
inneren Verhältnisse fast aller Staaten Europas von Grund aus verändert hat.
($:§ märe iedocki ein Irrtum, zu glauben, daß in jenen Tagen schwerer
Set™* Kämpse und staatlicher Umwälzungen Kunst und Wisienschast bra-Megen
3<" haben. Schuf doch gerade damals (1799—1804) Schiller seine Meister-
brennen nnd Goethe mehrere seiner klaisischen Prosa,christen und natnr.
wissenschastlichen Untersuchungen, In dem Jahre sewer denkwürdigen Be¬
gegnung mit Napoleon (in Ersurt, 1808) wurde der erste Teil seines
Faust" gedruckt, Di- Tonkunst, besonders die Instrumentalmusik, gelangte
durch Beethoven (geb. 1770 in Bonn, seit 1792 in Wien ansässig) zu größter
Vollendung, Aus dem Gebiete der Naturwissenschaften begründete^<1^9«)
«„place eine grundlegende Theorie derKosmogome, C^adni die Wistenschaft
der Akustik Fraunhofer die moderne praktische Optik; Gay-Lussac versuchte
mit Hilfe des (1783 erfundenen) Luftballons die Erforschung der Atmosphäre.
Namentlich aber bereiteten sich große Umwälzungen im Verkehrswesen vor
nachdem 1807 Fultou in New York das erste leistungsfähige Dampfschiff und
sieben ^ahre später G. Stephenson die erste Lokomotive erbaut hatte. Außer-
dem rief die Erfindung des Steindruckes, der Buchdruck-Schnellpresse und des
mechanischen Webstuhls mancherlei Veränderungen auf technischem Gebiete hervor.
Nachdem Kriege wurden die preußischen Festungen Minden, Wesel
Saarlouis und die Bundesfestungen Mainz, Rastatt, Bermersheim und Ulm angeleg.